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Emotionaler Weckruf: Starbloggerin rechnet mit Social Media ab

"Alles nur Show:" Die 19-jährige Essena O'Neill zieht in einem Video einen Schlussstrich unter ihr Social-Media-Leben. Auf Instagram spricht sie über die Wahrheit, die hinter ihren Bildern steckt.
© YouTube/Instagram/Screenshot

Jung, schön, erfolgreich: Das war Essena O‘Neill. Die 19-Jährige lebte ihren Traum, wurde zur Berühmtheit in sozialen Netzwerken. Jetzt will sie nur noch eines sein: glücklich.

Von Tamara Stocker

Innsbruck — Sie schreit ihre Schwester an, nach unzähligen Versuchen endlich ein perfektes Foto von ihr zu schießen. Sie posiert hunderte Male für ein einziges Bild, nur, um ihren Bauch perfekt in Szene zu setzen. Auf Instagram räkelt sie sich in lasziven Posen vor malerischen Kulissen. Für die tollen Kleider, die sie trägt, wird sie bezahlt. Mit einem Posting verdient sie bis zu 2000 Dollar. Ihre Bilder zeigen, wie schön ihr Leben ist. Das Mädchen auf den Bildern lächelt, aber glücklich ist sie nicht.

Seit sie zwölf Jahre alt ist, träumt Essena O'Neill von einem perfekten Leben. Die Australierin will berühmt und beliebt sein. Genau so, wie all die Social-Media-Stars und Internet-Models, die sie selbst so sehr bewundert.

Mit 17 Jahren hat sie es geschafft. Essena ist kein No-Name mehr — und in einem neuen Verständnis so etwas wie ein Star. Mehr als eine Million Menschen verfolgen ihr virtuelles Leben auf Instagram, YouTube und Tumblr. Ein bekanntes Mode-Label nimmt sie unter Vertrag. Von allen Seiten erntet sie Bewunderung. Beim Anblick ihrer Follower und Likes muss sie vor Freude oft weinen. Essena ist ein Vorbild für viele junge Mädchen: schlank und schön. Aber je berühmter sie wird, desto weniger kann sie sich selbst leiden.

Heute blickt die 19-Jährige traurig in ihre Kamera. Die Haare sind unordentlich zu einem Dutt gebunden. Sie trägt einen schlichten, grauen Pullover. Geschminkt ist sie nicht. In ihrem Video spricht das unscheinbare Mädchen über ihr bisheriges Leben, das eigentlich keines war.

„Social Media hat mich krank gemacht“

Essenas Leben war ihr Job. Mehr gab es nicht. „Social Media hat mich krank gemacht“, spricht Essena unmissverständlich in die Kamera. Der ständige Hunger nach Likes, Followern und Anerkennung brachte ihr Einsamkeit und Depression. Damit soll jetzt Schluss sein. Essena hat genug vom schönen Schein und kehrt der Social-Media-Welt den Rücken.

Siebzehn Minuten lang erzählt sie unverblümt ihre Geschichte, spricht vom Aufstieg und vom tiefen Fall. Unter Tränen appelliert sie, man solle das Leben draußen genießen; mit Menschen reden, in den Park gehen oder ins Café: „Ich weiß nichts über echtes Leben, weil ich keines hatte und mich nur über Zahlen definiert habe. Social Media ist nicht das echte Leben.“

So betitelt Essena nun auch ihren Instagram-Account. Mehr als 2000 Fotos hat das einstige Model gelöscht. Die wenigen, die übrig geblieben sind, verseht sie mit neuen Bildunterschriften. Essena klärt auf, welch traurige Wahrheit sich dahinter verbirgt (siehe Ende des Artikels).

Ein Bild zeigt sie mit bauchfreiem Top, tiefem Dekolletee und einem figurbetonten High-Waist-Rock mit hohem Schlitz auf der Seite. Essena wirkt wie eine erwachsene Frau, ist allerdings erst 16 Jahre alt. Sie schreibt: „Ich trug das Outfit nur für das Foto, würde es nie außerhalb tragen.“ Auf einem anderen Foto posiert sie als 16-Jährige im Bikini, den Po in die Kamera gestreckt. „Ich wünschte, jemand hätte mich geschüttelt und gesagt: 'Du bist mehr als das'.

Weckruf für die Jugend

Essena will keine Likes und kein Geld mehr. Sie will junge Menschen wachrütteln. Teenager sollen erkennen, dass sie auf Instagram und Co. einer Illusion aufsitzen. „Einer gefilterten Welt, die Perfektion und Ideale vorgaukelt, die so nie zu erreichen sind.“

„Jeden Tag nur beweisen zu müssen, dass du toll bist — ist das Leben?“, fragt sich Essena heute. Die Antwort: Nein. Jahrelang hat sich das junge Mädchen selbst inszeniert — und damit auch ihr Leben. Die 19-Jährige hat ihre Jugend damit verbracht, süchtig zu sein. Süchtig nach sozialen Medien, gesellschaftlicher Akzeptanz, sozialem Status und ihrem Äußeren. Heute will sie süchtig nach Leben sein.

Der Narzissmus, der sie krank machte, soll anderen jetzt helfen. Mit ihrer Abkehr von Social-Media-Portalen hat sie ein neues Projekt ins Leben gerufen: die Website www.LetsBeGameChangers.com. Essena möchte auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben aufmerksam machen. Essena will versuchen, das Spiel zum Positiven zu verändern.