Verkehrsentwicklung im Modell
Die Stadt Lienz ließ ihr Verkehrsaufkommen in digitale Form bringen. Per Mausklick können Verkehrsleitmaßnahmen und ihre Auswirkungen simuliert werden.
Von Christoph Blassnig
Lienz –Eine Einbahnregelung in der Beda-Weber-Gasse? „Nicht zu empfehlen“, sagt Michael Hochkofler und zeigt anhand einer digitalen Simulation, welche Ausweichrouten die Verkehrsteilnehmer dann nehmen würden. Sehr wohl empfehlenswert sei dagegen Tempo 30 für den gesamten Verlauf. „Die vor- und nachgelagerten Straßenzüge würden dadurch wie die Beda-Weber-Gasse selbst deutlich vom Durchzugsverkehr entlastet“, führt Hochkofler aus. 3200 Fahrzeuge täglich sind reiner Durchgangsverkehr in der teils engen, unübersichtlichen Straße und machen 55 Prozent des Gesamtaufkommens dort aus. Der Pkw-Verkehr müsste dann in Michaelsgasse, Kärntner Straße, Rechtem Iselweg und auf die Bundesstraßen B100 und B108 ausweichen.
Hochkoflers Ingenieurbüro für Verkehrswesen hat für die Stadtgemeinde eine Gesamtverkehrsleitplanung in digitaler Form erstellt. Die Ergebnisse hat er am Dienstag in der Gemeinderatssitzung präsentiert. Basierend auf dem Tiroler Landesverkehrsmodell für Lienz wurde ein Quadratraster mit 250 Metern Seitenlänge über die Stadt gelegt. So entstand ein Verkehrsmodell mit feinem Straßennetz und einzeln darstellbaren Verkehrszellen.
Die Simulation lässt drei unterschiedliche Zukunftsszenarien bis zum Jahr 2030 abfragen: Stagnation der Raum- und Wirtschaftsentwicklung, Wachstum und ein „Worst Case“ – die überbordende Entstehung neuer Wohn- und Gewerbegebiete. Im 24-Stunden-Raffer lässt sich das tägliche Verkehrsaufkommen für jeden gewünschten Abschnitt anzeigen. Angedachte Verkehrsleitmaßnahmen und ihre direkten Auswirkungen auf das nahe und weitere Umfeld können per Mausklick dargestellt werden. „Mit aufgenommen in das Modell wurde unsere Auswertung der Fragebögen, die wir heuer an die Bevölkerung versendet haben“, erklärte Hochkofler. 1330 der Bögen seien zurückgekommen. Das persönliche Mobilitätsverhalten der Einwohner wurde erhoben. Zusätzlich erbeten waren Erstellung eines Wegetagebuches und Aufzeigen von Problemzonen im Stadtverkehr.
Einige Zahlen aus den Erhebungen: 40 Prozent der zurückzulegenden Wege sind kürzer als ein Kilometer. Weitere 43 Prozent liegen zwischen einem und drei Kilometern Entfernung vom Ausgangspunkt zum Ziel. „65 Prozent nennen das Fahrrad als ihr bevorzugtes Verkehrsmittel, wenn Witterung und Umstände es zulassen“, so Hochkofler. Die täglichen Wege konzentrieren sich auf das Stadtgebiet von Lienz.
„Der Verkehr wird nicht weniger werden. Das Spannungsfeld B100 muss auch zukünftig den wirtschaftlich notwendigen Transit und den hausgemachten Nord-Süd-Querverkehr bewältigen. Problematische und verstaute innerstädtische Straßenzüge sind durch geeignete Maßnahmen vom Verkehr zu entlasten“, nannte Hochkofler zentrale Herausforderungen.
Wo Tempo-30-Zonen bereits bestehen, soll ihre Akzeptanz durch „straßenräumliche Gestaltungsmaßnahmen“ erhöht werden. Möglich sind Einengungen, Vorziehung der Gehsteige, Mittelinseln, Aufpflasterungen oder ein Straßenversatz. Knapp 400.000 Euro beschloss der Gemeinderat am Dienstag für solche Maßnahmen im Jahr 2016.
Während Vize-BM Stephan Tagger und sein VP-Parteikollege Meinhard Pargger das erstellte Verkehrsmodell als nützliches Werkzeug für die Verkehrs- und Raumplanung lobten („Wir haben genau das vorliegen, was wir wollten“), verlieh GR Uwe Ladstätter (LSL) seiner Enttäuschung Ausdruck: „Ich habe mir Lösungen erwartet. Was wir bekommen haben, wissen wir längst. Aufpflasterungen haben wir in der Vergangenheit schon zurückbauen müssen, weil es nachts zu erhöhter Lärmbelästigung durch Bremsen und Beschleunigen kommt.“