Ukraine - Politthriller um Generalstaatsanwalt: Büro beschossen
Kiew (APA) - Unbekannte haben am Montagabend das Büro des ukrainischen Generalstaatsanwalts Wiktor Schokin in Kiew beschossen. Der Vorfall e...
Kiew (APA) - Unbekannte haben am Montagabend das Büro des ukrainischen Generalstaatsanwalts Wiktor Schokin in Kiew beschossen. Der Vorfall ereignete sich vor dem Hintergrund eines sich zuspitzenden Konfliktes um den Chefankläger, dessen Rücktritt zuletzt immer lauter gefordert wurde. Schokin intensiviert indes seine Aktivitäten - am Montag versprach er eine „vollständige Ausrottung der Korruption in der Ukraine“.
Während einer Besprechung des Generalstaatsanwaltes mit engen Mitarbeitern seien am Montagabend kurz vor 22.00 Uhr drei Schüsse auf die Fensterscheiben von Schokins Büro abgegeben worden, berichtete am Dienstag der für die Ermittlungen zuständige Militärstaatsanwalt Anatolij Matios. Der mit einem Wärmesuchgerät ausgestattete Heckenschütze habe auf Köpfe und Oberkörper gezielt, erklärte er.
„Lediglich das Vorhandensein von Panzerglas hat einen tödlichen Ausgang verhindert“, sagte Matios, der gleichzeitig sein Entsetzen über im Zusammenhang mit dem Anschlag artikulierte Schadenfreude in sozialen Netzwerken und in einigen Medien zum Ausdruck brachte.
Der erst im Februar 2015 zum Generalstaatsanwalt ernannte Wiktor Schokin selbst kämpft derzeit um sein politisches Überleben: Eine wachsende Zahl an ukrainischen Parlamentariern, zuletzt waren es 119 von 420, haben ihm gegenüber per Unterschrift ihr Misstrauen zum Ausdruck gebracht. Am Samstag demonstrierten Aktivisten gar vor dem Privatwohnsitz von Petro Poroschenko und forderten vom Präsidenten die Ablöse des Chefanklägers.
Kritiker werfen Schokin Versagen im Kampf gegen die Korruption vor. Vergangene Woche beschuldigte ihn etwa der Vorsitzende des Parlamentsausschusses für Korruptionsbekämpfung, Jegor Sobolow von der pro-europäischen „Samopomitsch“-Partei, Ermittlungen gegen jenen hochrangigen Staatsanwalt zu behindern, bei dem im Sommer mehr als 500.000 Dollar Bargeld beschlagnahmt worden waren. „Die Generalstaatsanwaltschaft muss aufhören, Reformen zu unterminieren und korrupte Staatsanwälte zu schützen“, sekundierte am vergangenen Freitag auch US-Botschafter Geoffrey Pyatt bei einem Auftritt in Kiew.
Vertreter der ukrainischen Zivilgesellschaft, aber auch selbst das ukrainische Außenministerium werfen Schokin zudem vor, durch die Nominierung fragwürdiger Mitglieder einer Auswahlkommission, die einen Antikorruptionsstaatsanwalt küren soll, die erhoffte Visaliberalisierung für Ukrainer in der EU zu torpedieren. Die Europäische Union verlangt von der Ukraine ernsthafte Schritte zur Korruptionsbekämpfung.
Der Generalstaatsanwalt ging jedoch in die Gegenoffensive: In einem Brief an das ukrainische Außenamt, der an das Online-Medium „Ukrajinska Prawda“ geleakt wurde, drohte Schokin Außenminister Pawlo Klimkin am 21. Oktober gar mit einem Ermittlungsverfahren wegen Verdachts auf „Untergrabung der Autorität von Staatsorganen“.
Seit dem Wochenende setzt Schokins Behörde nun auf Aktionismus: In Dnipropetrowsk verhafteten Staatsanwälte am Samstag gemeinsam mit einer Geheimdienst-Spezialeinheit den einflussreichen Geschäftsmann und Politiker Hennadij Korban, der als Mann fürs Grobe und rechte Hand des einflussreichen Oligarchen Ihor Kolomojskyj gilt. Korban, der als Vorsitzender von Kolomojskyjs „Ukrop-“Partei Ende Oktober erfolglos für das Amt des Kiewer Bürgermeisters kandidiert hatte, werden Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation, Entführung und Eigentumsdelikte vorgeworfen. Warum der Zugriff erst jetzt passierte ist unklar, die Vorwürfe gegen Korban waren seit Monaten bekannt.
In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Geheimdienstchef Wassyl Hryzak kündigte Schokin am Montag nun eine Intensivierung der Korruptionsbekämpfung an. „Wir sind im Kampf gegen die Korruption schon weitergekommen, es geht weiter und weiter und wir werden bis zur vollständigen Ausrottung der Korruption in der Ukraine nicht aufhören“, erklärte der Generalstaatsanwalt. Zwölf Stunden später wurde auf seine Amtsräumlichkeiten geschossen.