Autor Chris Thorpe 2 - „Britische Regierung hat einen Fehler gemacht“
Wien/Manchester (APA) - APA: In Ihrer Performance „#Torycore“ mischen Sie Death Metal Musik mit Zitaten aus Statements und Reden von Politik...
Wien/Manchester (APA) - APA: In Ihrer Performance „#Torycore“ mischen Sie Death Metal Musik mit Zitaten aus Statements und Reden von Politikern der Tories. Worüber ärgern Sie sich bei den Konservativen am meisten?
Thorpe: Was mich am meisten ärgert, ist deren Annahme, dass die Schutzlosen unsichtbar sind und niemand sich groß um sie schert. Aber jetzt beginnen ihre Einsparungen sogar jenen Leuten wehzutun, die für sie gestimmt haben. Wir werden also sehen... Ich glaube, bei den Tories gibt es eine Art Grundglauben, dass man ein wenig Leiden verursachen muss, um der Wirtschaft zu dienen. Und ich glaube, es gibt zu wenig Bewusstsein für die Realitäten des Lebens. Das erlaubt es ihnen, die Schwächsten zu Nummern zu machen, die einfach in Wirtschaftstheorien eingepasst werden. Und das macht wirklich wütend.
APA: Viele hier in Österreich glauben, dass die anhaltende Flüchtlingskrise Europa in eine gefährliche Situation bringen könnte. England scheint da momentan äußerst zurückhaltend zu agieren, obwohl es doch eine lange und starke Tradition der Immigration hat. Wie denken Sie über die britische Politik in dieser Frage?
Thorpe: Ich glaube, die britische Regierung hat einen Fehler gemacht. Ich glaube, sie wollten manchen Flüchtlingen ernsthaft helfen - und ich hoffe, sie werden künftig dafür mehr tun. Aber um gewählt zu werden, haben sie gemeinsame Sache mit der Presse gemacht, um ein Klima der gedankenlosen Angst zu erzeugen. Sie mussten auf rassistische Impulse eingehen und vermeiden, in komplexer Weise über die Situation zu sprechen. Das fällt ihnen jetzt in den Rücken. Es gibt keine echte Diskussion und keine Differenzierung, es wird immer nur reagiert. Die Regierung kann nicht so viel tun, wie sie es gerne täte. Aber sie sind dafür selbst verantwortlich. Nun sitzen sie in der Falle.
APA: Mit Jeremy Corbyn hat die Labour Party einen neuen Parteiführer aus dem linken Flügel bekommen. Wie kann er die politische Debatte in England beeinflussen?
Thorpe: Ich mag ihn. Ich glaube, er wird Kompromisse machen müssen. Im Moment gibt es eine Art von Obama-Effekt, der ihn auf einer Welle von Optimismus trägt, aber er wird diesen Purismus, für den ihn eine Menge Leute gewählt haben, nicht lange durchhalten können. Das ist unvermeidbar. Aber er ist sehr gut darin, die Gedanken hinter seinen Standpunkten und Entscheidungen begreifbar zu machen. Das wird ihm vielleicht helfen. Seine realistischste Hoffnung ist es, die Labour Party in eine prinzipientreuere und ehrlichere Partei zu verwandeln, bevor sie ihn loswerden, und dass wer auch immer ihn dann ersetzen wird, Labour vor den nächsten Wahlen nicht mehr ganz zurück in die Mitte trimmen kann.
APA: In Wien zeigt man Ihr Stück „Möglicherweise gab es einen Zwischenfall“ erstmals auf Deutsch. Auf was muss man dabei am meisten achtgeben, um eine erfolgreiche Aufführung hinzubekommen?
Thorpe: Ich glaube, es gibt keine magische Formel dafür, ein Stück „erfolgreich“ umzusetzen. Ich würde sagen, das Wichtigste ist, den Text gut rüberzubringen, nicht notwendigerweise, ihn auszuagieren. Ich bin wirklich schon sehr gespannt, was sie damit machen werden. Ich bin unglaublich aufgeregt!
(Die Fragen stellte Wolfgang Huber-Lang/APA)
(ZUR PERSON: Chris Thorpe wurde 1969 in Manchester geboren. Er ist Autor, Performer und Musiker, Kopf der Compagnie „Unlimited Theatre“, und arbeitete u.a. mit der Performancegruppe Third Angel, mit der portugiesischen Gruppe mala voadora sowie mit dem Belarus Free Theatre. Auftragsstücke verfasste er u.a. für das „Unicorn Theatre“ in London und das „Royal Exchange“ in Manchester. In Zusammenarbeit mit Hannah Jane Walker schrieb er auch die Stücke „The Oh Fuck Moment“ und „I Wish I Was Lonely“.)
(S E R V I C E - „Möglicherweise gab es einen Zwischenfall“ von Chris Thorpe, Deutsch von Katharina Schmidt, Deutschsprachige Erstaufführung, Regie: Marco Storman, Bühne: Anna Rudolph, Kostüme: Anne Buffetrille, Musik: Thomas Seher, Mit: Steffen Link, Sophia Löffler, Vassilissa Reznikoff, Premiere am 6.11., 20 Uhr, Nächste Vorstellungen: 7., 14., 17., 20., 21., 24., 28.11.; „Confirmation“ von und mit Chris Thorpe, Regie: Rachel Chavkin, Gastspiel in englischer Sprache, 15.11., 20 Uhr, Karten: 01/3170101-18 www.schaupielhaus.at)