Donauwellenreiter

Senkrechtstarter auf hohen Schicksalswellen

Thomas Castañeda (2. v. l.) schrieb bislang die Stücke, mittlerweile ist es ein demokratischer Prozess.
© Donauwellenreiter

Das feine Kammerjazzquartett „Donauwellenreiter“ stammt zur Hälfte aus Tirol. Gesungen wird auf Ladinisch, demnächst auch hierzulande.

Innsbruck –Nachdem die erste „Annäherung“ geglückt war, kam die Dringlichkeit, neue Lieder zu schreiben. Von diesem alternativlosen künstlerischen Schaffensdrang spricht auch der Titel des zweiten Donauwellenreiter-Albums „Messëi“ – das ladinische Wort für Müssen. „Man stellt sich in kreativen Prozessen nicht die Frage, warum man etwas macht, es ist vielmehr eine Notwendigkeit, dass man es macht“, sagt der gebürtige Landecker Thomas Castañeda, Pianist und Komponist der weltoffenen Wiener Kammerjazz-Formation.

Dieses Müssen wird im titelgebenden Stück „Messëi“ wieder relativiert. Die Südtirolerin Maria Craffonara (Stimme, Perkussion, Violine) singt darin in ihrer Muttersprache Ladinisch über all die Zwänge des täglichen Lebens, über die privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Anforderungen, die es gilt, unter einen Hut zu bringen. Anstelle eines rotzigen „Ich muss gar nichts außer schlafen, trinken, atmen und f*****“, mit dem etwa das Elektropoptrio Großstadtgeflüster auf das Dilemma des modernen Menschen reagiert, kommt der Donauwellenreiter-Song zu einem düsteren Schluss: „Nichts muss der Mensch tun, außer irgendwann sein Leben lassen.“ Bis dahin sollten sich aber noch ein paar Donauwellenreiter-Alben ausgehen. Nach „Annäherung“ (2012) und dem aktuellen „Messëi“ wird bereits am dritten Album gebastelt. Anfang nächsten Jahres geht es ins Studio, Ende 2016 soll das neue Werk erscheinen – eine weitere Etappe im künstlerischen Entwicklungsprozess der Combo. Zuschreibungen wie Weltmusik, Jazz und Pop sind Castañeda egal. „Wir haben zu Beginn versucht, gemeinsam eine eigene Musik zu finden. Jeder brachte anfänglich das mit, was ihm vertraut war.“ Aus diesem Crossover soll sich allmählich eine ganz eigene Tonsprache entwickeln, so die Hoffnung des Sohnes einer Tirolerin und eines Mexikaners, der in Jugendtagen in seiner Heimatgemeinde Grins die Orgel spielte.

Dabei gelten Donauwellenreiter bereits seit ihrem Debüt als Senkrechtstarter, ihr Ruf eilt ihnen weit über die Grenzen des Landes voraus. Den unvergleichlichen Mix aus Minimal Music, Tango, Jazz, Pop und Alpin Sound haben sie auf dem Nachfolger weiter verfeinert. Prominenter wurde indes auch die Besetzung. Nach dem Weggang des Akkordeonisten Nikola Zaric ist Schlagzeuger Jörg Mikula als fixes Mitglied dazugekommen, der Cellist Lukas Lauermann, der nicht nur als Solist international für Furore sorgte, sondern etwa auch mit heimischen Musikgrößen wie Soap & Skin oder dem Nino aus Wien kollaborierte, macht das Quartett komplett – trotz anfänglicher Vorbehalte. „Ach, schon wieder einer, der was von mir will, hat sich Lukas gedacht, als ich bei ihm angefragt habe“, lacht Castañeda. Nach einer ersten gemeinsamen Probe sei aber „alles recht schnell gegangen“.

Recht schnell musste es auch gehen, als Donauwellenreiter vergangenes Jahr kurzfristig bei der pataphysischen Oper „Epigonia“ (im Rahmen des Freien Theaterfestivals im Treibhaus uraufgeführt) eingesprungen sind. „Ihnen war der Komponist ausgefallen, wir hatten nur noch Zeit, unsere Stücke für das Theaterprojekt neu zu arrangieren.“ Ein Jahr später wird die Band im Treibhaus am 20. November gastieren, diesen Samstag spielen Donauwellenreiter im Alten Kino in Landeck. (sire)