Kami fliegt dem Alter auf und davon
Einer der ältesten Piloten Österreichs denkt im 85. Lebensjahr nicht im Mindesten daran, am Boden zu bleiben. Walter Lechleitner aus Pfafflar hat gerade das „Medical“ hinter sich und die Lizenz bis 2017 erhalten.
Von Helmut Mittermayr
Reutte –Unter den Fliegerkollegen des Flugsportvereins Reutte-Höfen wird Walter Lechleitner liebevoll „Kami“ genannt – hinter vorgehaltener Hand. Dass ihm gegenüber selten jemand direkt den Spitznamen verwendet, liegt an der Mehrdeutigkeit der Konnotation „Kamikaze“. Beleidigen will ihn ja niemand, aber treffend sei der Begriff schon, heißt es in seinem Umfeld. Lechleitner selbst hört Kami hingegen gar nicht so ungern. Die flapsige Bezeichung verweist weniger auf eine Wesensart des Lechtalers als mehr auf ein paar Vorfälle, die zum Ruf des Fliegers aus der Gemeinde Pfafflar beigetragen haben.
So legte er gleich einmal zu Beginn seiner Fliegerkarriere, die 1967 begann, einen Sturzflug hin. „Ich war bei der Landung etwas zu langsam und musste Geschwindigkeit aufnehmen“, lacht Lechleitner. Und weiter: „Das schaute für die Zuschauer am Boden so aus, als ob eine Stuka (Sturzkampfflugzeug, Anm. d. Red.) heruntergeschossen kommt.“ Ein andermal war eine Ziellandung auf einer Linie als interner Wettbewerb im Verein ausgemachte Sache. Ein verbogenes Bugrad und der Schrecken der Zuseher, die glaubten, „Kami“ sei zu knapp vor einem Stadel, den er dann elegant überhüpfte, niedergegangen, waren die Folge. Zum Vorfall gab es durchaus selektive Wahrnehmungen und Erzählungen von Zuschauern und Piloten, die nicht zwingend deckungsgleich waren.
Wirklich „passiert“ ist Lechleitner nur einmal etwas. Damals hatte er großes Glück. Beim Start in Höfen bei Nebel war der Vergaser vereist. Gleich nach dem Start schmierte der Flieger ab. Das Flugzeug fiel in einen Jungwald. Pilot und Fluggast kletterten unverletzt aus der schrottreifen Maschine. „Mein Fluglehrer, ein erfahrener Kriegspilot, hatte mir einmal erklärt, dass ein Jungwald für eine Notlandung besser sei als eine unbekannte Wiese. Als es passierte, blieb keine Zeit zum groß Nachdenken, und ich handelte instinktiv.“
Damit sind aber auch schon alle „Schandtaten“ des jahrzehntelangen Fliegerlebens aufgezählt. Lechleitner gilt als sehr erfahren. Über 1600 Flugstunden als verantwortlicher Pilot hat er gesammelt. Seit 48 Jahren ist er Mitglied im Außerferner Flugverein und hat dort auch lange Verantwortung übernommen – sieben Jahre als Kassier, acht Jahre als Obmann tätig.
Wenn es Wetter und Arbeit zulassen, startet er bis zu dreimal die Woche mit der Vereinsmaschine in Höfen. Die weitestentfernten Destinationen waren das Massif central in Frankreich und die serbische Hauptstadt Beograd. Der gewitzte Lechtaler: „Auch hier ist etwas vorgefallen. Wir waren zu viert dort. Beim Rückflug wollten sie unsere Frauen nicht mehr an Bord lassen, weil sie zum Einchecken Tickets benötigten, während wir Männer direkt aufs Rollfeld gehen konnten. Wir brauchten Stunden, um das bürokratische Problem zu lösen.“ Oft ist der ehemalige Wirt, der jetzt im Gasthaus Bergheimat nach Eigendefinition als „graue Eminenz“ fungiert, auch nach Venedig geflogen. „Auf einen Kaffee“, schmunzelt er. „Aber so was machen doch alle Flieger.“ Am vergangenen Nationalfeiertag parkte er mit stolzer Brust mitten unter großen Maschinen am Flughafen Innsbruck.
Mit dem Fliegen hat sich Walter Lechleitner einen Kindheitstraum erfüllt, denn schon als kleiner Bub hat er davon geschwärmt, einmal in die Luft zu gehen. Sofort, als genügend Zeit und Geld zur Verfügung standen, begann er 1967 mit der Schulung. Nach einem halben Jahr hielt er den Pilotenschein in Händen – damals für rund 21.000 Schilling (1526 €).
Am Boden bleiben will Kami jedenfalls noch lange nicht. Gerade hat er das aktuelle „Medical“ hinter sich gebracht und für ein weiteres Jahr das „Go“ bekommen, seine Lizenz wurde bis 2017 verlängert. Wirklich am Boden ist er ja nur am Ende des Bschlabertals, wo er in der gleichnamigen Fraktion der Gemeinde Pfafflar lebt.
Höhenflüge erlebt der über Achtzigjährige auch in einem ganz anderen Bereich. Ihn juckte es so lange, bis er mit 76 Jahren unter die Schriftsteller gegangen ist. In wenigen Tagen erscheint sein drittes Buch, der Roman „Die Birkenrute“, der im französisch-deutschen Grenzland der Kriegsjahre und Nachkriegszeit spielt. Ein Blick für Details ist ihm dabei eigen. Dass etwa die Erziehungsmethoden in seiner Jugend andere waren, erzählt er ohne Phantomschmerzen: „In Boden wurden wir Kinder mit Weideruten verhaut, in Bschlabs mit Birkenruten.“