Experten: Ungleiche Einkommen schon imVorschulalter bekämpfen
Wien (APA) - Die vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger zur „Sozialstaatsenquete“ geladenen Experten haben sich am Mittwoch für eine...
Wien (APA) - Die vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger zur „Sozialstaatsenquete“ geladenen Experten haben sich am Mittwoch für eine frühzeitige Bekämpfung von Einkommens-Unterschieden - und zwar schon vor deren Entstehung - ausgesprochen. Entsprechende Maßnahmen müssten vor allem über den Bildungsbereich gesetzt werden - und zwar schon im Vorschulalter, sagte WIFO-Chef Karl Aiginger.
Bei der zum neunten Mal ausgerichteten Enquete beschäftigte sich der Hauptverband mit der Frage der wachsenden Ungleichheit in der Einkommensverteilung. Aiginger führte bei einer Pressekonferenz zu Beginn der Veranstaltung aus, dass zwar die absolute Armut, nicht immer aber die Einkommensunterschiede in Europa sinken würden.
Die Ungleichheit bei den Einkommen sollte man nicht erst nach deren Entstehen, sondern schon davor - eben über den Weg der Bildung - ausgleichen. Dieser Weg sei auch für den Staat der günstigere. Aiginger verwies auch darauf, dass laut Studien die Lebenserwartung bei den Geringgebildeten im Schnitt um vier Jahre niedriger sei als bei jenen Personen mit der höchsten Ausbildung.
OECD-Ökonom Michael Förster sagte, in fast allen OECD-Ländern hätten die Einkommensunterschiede zugenommen. Hohe Einkommen würden vom Wirtschaftswachstum überdurchschnittlich profitieren, Geringverdiener hingegen würden zurückgelassen. Er verwies u.a. auf den „Gender-Gap“ in Österreich: Der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen in Österreich sei höher als in den meisten OECD-Staaten.
Als Maßnahmen schlägt auch Förster vor, in die Ausbildung - und zwar vor allem im Vorschulalter - zu investieren, und eine aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben. Außerdem müssten mehr Maßnahmen zur Integration von Frauen ins Erwerbsleben gesetzt werden. Als Beispiel nannte er einen weiteren Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen in Richtung ganztägiger Angebote, um einerseits die soziale Segregation zu bekämpfen und andererseits auch den Frauen die Möglichkeit zu geben, rasch wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Generell plädierte er dafür, bei Familienleistungen verstärkt auf Sach- statt auf Geldleistungen zu setzen.
Ökonom Timm Bönke von der Freien Universität Berlin verwies darauf, dass laut Studien in Deutschland das Lebenseinkommen von Jüngeren geringer sei als das von Älteren. Den Grund dafür sieht er einerseits in der gesunkenen Nachfrage von Personen mit geringer Qualifikation und andererseits in den häufigeren und längeren Zeiträumen von Erwerbslosigkeit genau jener Gruppen. Die Betroffenen könnten auch nichts ansparen und damit nichts an die nächste Generation weitergeben, womit sich die Ungleichheit weiter verfestige.
Vom „Sozialstaatsdilemma“ sprach Bönkes Kollege Viktor Steiner: Österreich biete ein hohes Niveau sozialer Sicherung durch die bedarfsorientierte Mindestsicherung und relativ hohe Pensionen. Dies reduziere zwar Einkommensunterschiede, könnte aber unter Umständen auch negative Arbeitsanreize für Geringqualifizierte und Fehlanreize zur Frühpensionierung in sich bergen - wobei er bei letzterem Punkt anerkannte, dass die Regierung bereits Maßnahmen zum längeren Verbleib im Erwerbsleben gesetzt hat.