Stonehenge: Warme Quellen und leuchtend pinke Feuersteine
London/Wien (APA) - Nach dem Sensationsfund eines riesigen Steinmonuments durch österreichische Forscher vor zwei Monaten gibt das Areal run...
London/Wien (APA) - Nach dem Sensationsfund eines riesigen Steinmonuments durch österreichische Forscher vor zwei Monaten gibt das Areal rund um die Steinkreisformation Stonehenge weitere archäologische Überraschungen preis. Unter den jüngsten Fundstücken befinden sich in leuchtendes Pink verfärbende Feuersteinknollen, Tierknochen mit noch darin steckenden Pfeilspitzen und Hinweise auf feste Behausungen.
Als eine besonders reichhaltige Fundstätte erweisen sich nun auch gut drei Kilometer von Stonehenge entfernte, warme Quellen, die bei der Ortschaft Amesbury in den Fluss Avon fließen. „Diese Quellen sind in mehrfacher Hinsicht sehr interessant“, so Wolfgang Neubauer, Direktor des Ludwig Boltzmann Instituts (LBI) für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie, im Gespräch mit der APA. Durch die konstante Wassertemperatur von zwölf bis 14 Grad frieren die Quellen nicht zu und bieten Tieren das ganze Jahr über leichten Zugang zum Wasser. „Das ergab eine optimale Situation für Jäger- und Sammlerkulturen, dort den Tieren aufzulauern“, sagte Neubauer.
Davon zeugen eine große Menge an Knochen von Auerochsen, aber auch Hirschen und Rehen, die das LBI bei Radarmessungen gemeinsam mit Kollegen von der Universität Birmingham entdeckt hat und die nun teilweise ausgegraben wurden. In einigen dieser Auerochsenknochen stecken laut Neubauer zum Teil noch sogenannte Mikrolithen, das sind kleine steinzeitliche Pfeilspitzen oder Klingen.
Zumindest optisch spektakulär mutet aber ein anderes Fundstück an, das als Naturphänomen bisher nur aus der Gegend um Stonehenge bekannt ist. In einem bestimmten Bereich in den Quelltümpeln gibt es eine Alge (Hildenbrandia rivularis), die dort im Übermaß vorkommende Knollen aus Feuerstein (engl. Flint; Anm) besiedelt. „Wenn man sie aus dem Wasser rausnimmt, dann verfärben sich diese Flintknollen in ein ganz leuchtendes Pink“, so der Archäologe. Man vermute, dass dieses Phänomen von Steinzeitmenschen für rituelle Handlungen benutzt wurde: „Das ist natürlich ein super Tool, um Leute zu überzeugen, dass sie die richtigen Götter haben und so Macht auszuüben.“
Ebenfalls aufgrund dieser Radarmessungen des LBI wurden Siedlungsüberreste gefunden, die auf rudimentäre steinzeitliche Behausungen schließen lassen. Kreisförmig gelegte und teilweise aufgestellte Feuersteinplatten dienten als Steindamm, von dem man Zeltplanen aus verschiedenen Materialien abspannen konnte. Das sei insofern bemerkenswert, als es in der betreffenden Zeit von ungefähr 7.600 bis 4.200 v.Chr., also noch bevor die ersten neolithischen Gesellschaften über die damals noch bestehende Landbrücke zum europäischen Kontinent einwanderten, noch nicht viele Gebäude gegeben habe. „Die Frage ist, wie das Zusammenleben ausgesehen hat zwischen diesen Jäger- und Sammlergesellschaften, die bereits über Jahrtausende dort waren und den neu eingewanderten Menschen im Neolithikum“, sagte Neubauer.
Im Rahmen des internationalen Projekts „Stonehenge Hidden Landscape Project“ wird seit 2010 ein zehn Quadratkilometer großes Gelände rund um Stonehenge Meter für Meter mit Bodenradar und Magnetometer analysiert und zu detailreichen 3D-Bildern unterirdischer Gebäude zusammengefügt. Mit eigens entwickelten zerstörungsfreien Mess- und Auswertungsmethoden ist das LBI daran maßgeblich beteiligt.
Anfang September ließ ein Team aus österreichischen und britischen Wissenschaftern mit der Entdeckung einer steinzeitlichen Anlage in drei Kilometern Entfernung von Stonehenge aufhorchen, unter der sie Hinweise für zumindest 200 bis zu 4,5 Meter hohe Steine fanden (Durrington Walls), die vermutlich weit älter als das 4.000 bis 4.500 Jahre alte Stonehenge sind.
Die nun vom LBI entdeckten Tierknochen, Mikrolithen, Feuersteinknollen und -werkzeuge sowie entsprechende Bearbeitungs- und Produktionsprozesse werden im Frühjahr 2016 im Rahmen einer großen Ausstellung über das Stonehenge-Projekt im NÖ Urgeschichtemuseum MUZ in Mistelbach gezeigt.
(S E R V I C E: Die Ausstellung „Stonehenge. Verborgene Landschaft“ ist ab 20. März 2016 im MAMUZ zu sehen: http://go.apa.at/dfLFYFPp)