Flüchtlinge - Erste Umverteilung von 30 Menschen aus Griechenland

Athen/Brüssel (APA/Reuters/AFP/dpa) - Griechenland hat am Mittwoch mit der Umverteilung von Flüchtlingen auf andere EU-Staaten begonnen. In ...

Athen/Brüssel (APA/Reuters/AFP/dpa) - Griechenland hat am Mittwoch mit der Umverteilung von Flüchtlingen auf andere EU-Staaten begonnen. In der Früh verließen 30 Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak das Land per Flugzeug in Richtung Luxemburg. Die sechs Familien wurden von Premier Alexis Tsipras, EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn verabschiedet.

Ein Streik der Seeleute verschärfte aber zugleich die Lage in Griechenland: Am Mittwoch saßen Tausende von Flüchtlingen auf den Ostägäisinseln fest, weil keine Fähren zum Festland verkehrten. Bei einem neuen Bootsunglück vor Lesbos starben fünf Menschen.

Zum Start der Umverteilungsaktion gab es im Flughafen von Athen eine kleine Feier. Tsipras sagte an die Adresse der Flüchtlinge gewandt: „Heute haben Sie die Möglichkeit, eine Reise in die Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu machen.“ Es sei die gemeinsame Verantwortung der Europäer, das Drama der Flüchtlinge in der Ägäis zu beenden, das für Europa „beschämend“ sei.

Tsipras schlug erneut die Bildung von Registrierzentren in der Türkei vor. Von dort könnten dann die Menschen in Europa umverteilt werden, ohne die gefährliche Reise über die Ägäis unternehmen zu müssen. „Dieses Thema werde ich bei meinem bevorstehenden Besuch in der Türkei mit der türkischen Regierung erörtern“, sagte Tsipras nach einem Treffen mit Schulz.

Schulz begrüßte Tsipras‘ Absicht, mit der Türkei zu kooperieren. Die Türkei müsse auch mit der EU zusammenarbeiten. „Der Eine braucht den Anderen“, sagte Schulz. Am Vormittag hatte der EU-Parlamentspräsident kurz vor dem Abflug der Schutzsuchenden erklärt: „Es dürfte eigentlich kein Problem sein, unter 570 Millionen Einwohnern in der EU diese Menschen verteilen zu können.“

Avramopoulos erklärte am Dienstag in Brüssel, in diesem Jahr seien allein 600.000 Flüchtlinge in Griechenland angekommen. Die nunmehrige Verteilung der ersten Schutzbedürftigen sei ein „erster wesentlicher Schritt“ in dem nun begonnenen Prozess. Er forderte auch die anderen EU-Staaten auf, entsprechende Maßnahmen für die Aufnahme von Flüchtlingen zu setzen. Um die Umverteilung gab es zwischen den Mitgliedstaaten heftigen Streit. Vor allem osteuropäische Länder wehrten sich dagegen:

Das Umsiedlungsprogramm war im September von einigen EU-Ländern beschlossen worden. Es sieht die Umverteilung von knapp 160.000 Schutzsuchenden aus Italien und Griechenland nach Nord- und Westeuropa vor. Den Anfang machten vor einem Monat 19 Eritreer, die von Rom nach Schweden geflogen wurden. Danach folgten weitere 19 Menschen aus Eritrea und Syrien nach Schweden und 48 nach Finnland. Mit den Mittwoch früh aus Griechenland an Luxemburg ausgeflogenen 30 Schutzbedürftigen ist die Zahl auf 116 gestiegen. Eine Kommissionssprecherin erklärte am Mittwoch in Brüssel, dass im Rahmen der Umsiedlungen auch „Flüge von Italien nach Frankreich, vielleicht auch Finnland und Schweden“ erwartet werden.

Nach Angaben der EU-Grenzschutzagentur Frontex sind seit Jahresbeginn „mehr als 800.000 irreguläre Grenzübertritte“ an den EU-Grenzen registriert worden, aber noch immer machten sich viele Menschen aus Krisenregionen auf den Weg. „Die EU-Staaten müssen sich darauf vorbereiten, dass wir in den nächsten Monaten noch eine sehr schwierige Lage vor uns haben“, sagte Frontex-Chef Fabrice Leggeri. Der Höhepunkt sei „noch nicht überschritten“, sagte er der „Bild“-Zeitung vom Mittwoch.

Der Frontex-Chef forderte die EU-Staaten auf, Zuwanderer ohne Anspruch auf Asyl notfalls festzusetzen, um ihre Abschiebung zu gewährleisten. „Wer irregulär eingereist ist und kein Recht auf Asyl hat, muss schnell in seine Heimat zurückgeführt werden“, sagte Leggeri. Um dies sicherzustellen, seien Einrichtungen nötig, „in denen sie notfalls inhaftiert werden müssten“.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker setzt unterdessen seine Bemühungen um eine Lösung der Flüchtlingskrise fort. Für den Nachmittag wurde eine Telefonkonferenz mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) angesetzt, die um 14.00 Uhr beginnen soll. Kurz darauf um 16.00 Uhr ist die bisher zweite Telefonkonferenz von Vertretern der an der Westbalkanroute beteiligten Staaten, u.a. Österreich, angesetzt, um das weitere Prozedere zu besprechen.

Am Dienstagabend waren vor Lesbos erneut fünf Flüchtlinge nach dem Kentern eines Bootes ertrunken - darunter auch zwei Kinder. Wie die Küstenwache weiter mitteilte, wurden etwa 40 Menschen gerettet. Binnen vier Tagen kamen in der Ägäis mindestens 60 Menschen um.

Vor allem auf der griechischen Insel Lesbos herrschen zurzeit schlimme Zustände. Wegen eines seit Montag andauernden Streiks der Seeleute fielen am Mittwoch - am dritten Tag in Folge - alle Fährüberfahrten aus. Deshalb konnten keine Flüchtlinge von den Inseln zum Festland gebracht werden. Schätzungen von örtlichen Medien nach warteten allein im Hafen von Mytilini auf Lesbos mehr als 6.000 Menschen auf die Überfahrt nach Piräus.

Die Gewerkschaft der Seeleute weigerte sich nach Medienberichten trotz Aufrufen der Behörden und humanitärer Organisationen, eine Ausnahme zu machen und Fähren nur für Flüchtlinge zum Festland fahren zu lassen. Der Streik gegen Pensionskürzungen soll bis Samstag dauern.

Am Mittwochabend sollten 70 Migranten aus Pakistan aus Griechenland ausgewiesen werden. Sie hätten keinen Anspruch auf ein Asyl in der Europäischen Union, berichtete die griechische Presse. Den Flug von Athen in die pakistanische Hauptstadt Islamabad finanziert die EU.

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