Zorn der Menschen zwingt Rumäniens Premier zum Rücktritt
Bukarest (APA) - Als jüngster Regierungschef Rumäniens versprach der Sozialdemokrat Victor Ponta bei seinem Amtsantritt 2012 die „sauberste ...
Bukarest (APA) - Als jüngster Regierungschef Rumäniens versprach der Sozialdemokrat Victor Ponta bei seinem Amtsantritt 2012 die „sauberste Regierung seit der Wende 1989“. Am Ende wurde es eher das Gegenteil. Nach dreimaliger Regierungsumbildung und einer Rekordanzahl von Korruptionsverfahren und -verurteilungen gegen Minister in seinen Kabinetten trat am Mittwoch auch Ponta selbst nach sich häufenden Korruptionsvorwürfen zurück.
Obwohl die Antikorruptionsbehörde (DNA) schon vor vier Monaten gegen ihn ein Verfahren wegen mutmaßlicher korrupter Machenschaften in seiner Zeit als Anwalt eröffnet hat, war der Druck der Straße notwendig, um den 43-jährigen Sozialdemokraten, der einst als „junge Hoffnung“ der PSD galt, zum Rücktritt zu bewegen.
Ponta werden Aktenfälschung, Geldwäsche und Komplizenschaft bei Steuerhinterziehung vorgeworfen. Als Partner bei der Rechtsanwaltskanzlei seines Partei- und Studienfreundes Dan Sova soll er fiktive Honorarnoten für nie erfolgte Leistungen gestellt haben - Sovas Kanzlei hatte mit zwei staatlichen Energieunternehmen teure Rechtsberatungsverträge abgeschlossen, an denen Ponta beteiligt wurde. Es war das erste Mal im demokratischen Rumänien, dass ein Premier während seiner Amtszeit vor Gericht stand. Als Premier ernannte Ponta übrigens Sova mehrmals zum Minister, weshalb die DNA in einem separaten Verfahren wegen Interessenskonflikts gegen ihn vorgeht.
Statt wegen der Korruptionsvorwürfe gegen ihn das Amt niederzulegen zog es Ponta offenbar vor, sich als Opfer des „berechtigten Zorns“ der Bevölkerung darzustellen: Am Dienstagabend hatten 25.000 Menschen in Bukarest und anderen Großstädten seinen Rücktritt gefordert, nachdem ein Brand im Bukarester „Club Colectiv“ vergangene Woche 32 Tote und 150 Verletzte gefordert hatte - laut ersten Ermittlungsergebnissen auch wegen der Fahrlässigkeit der Behörden, deren wiederholte Kontrollen trotz offenkundiger Mängel nicht zur Schließung des Lokals geführt hatten. Doch aus Sicht von Kennern sind in Rumänien hunderte Clubs in ähnlichem Zustand zugelassen. Die Verhaftung der drei Klubbesitzer habe „den Menschen nicht gereicht“, erklärte Ponta und ermahnte zu „einer Rückkehr zur Vernunft“.
Ponta hat sich auf der politischen Bühne zu Beginn seiner Karriere als Anführer der sozialdemokratischen Jugendorganisation profiliert, symbolisierte gerade in der oft als rückwärtsorientiert empfundenen Sozialdemokraten (PSD) durch seine Jugend die Modernisierung einer Partei. Rein biografisch hatte der Jurist, der vor seiner politischen Laufbahn Anwalt und Staatsanwalt war, keine Verbindungen zum totalitären Regime.
Dennoch repräsentiert er innerhalb der PSD nicht die Reformisten, deren prominentesten Vertreter, den ehemaligen Außenminister Mircea Geoana, er bei den Parteiwahlen 2010 überholte, sondern eher die Konservativen um den - mittlerweile der Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagten - Ex-Präsidenten Ion Iliescu und den zweimal wegen Korruption verurteilten Ex-Premier Adrian Nastase, der auch als sein politischer Ziehvater gilt: Nicht nur holte der damalige Premier Ponta als Chef seiner Kontrollbehörde in die Regierung, sondern unterstützte ihn auch bei der Übernahme der Parteiführung. Nastase betreute zudem Pontas Dissertation, durch die dieser 2003 den Doktortitel erlangte und die später zum Brennpunkt eines jahrelangen Plagiatskandals stand: Ponta ließ blitzartig Kommissionen austauschen, die trotz klarer Beweislage zu seinen Gunsten entschieden und verzichtete erst Jahre später „freiwillig“ auf seinen Titel.
Im Inland schien weder der Korruptionsskandal um Nastase noch der Plagiatskandal Ponta politisch zu schaden. Er erntete mit einem antieuropäischen Kurs bei den Parlamentswahlen 2012 innerhalb der „Sozialliberalen Union“ mit der damaligen Liberalen Partei 60 Prozent der Stimmen und eine große Mehrheit im Parlament. Der handstreichartige Versuch, den damaligen bürgerlichen Staatschef Traian Basescu abzusetzen und die Befugnisse wesentlicher Institutionen des Rechtsstaates einzuschränken - die Vizepräsidentin der EU-Kommission und Justizkommissarin Viviane Reding sprach in diesem Zusammenhang von einem ‚parlamentarischen Putsch‘ - haben jedoch sein Ansehen im Ausland stark beschädigt. Ende 2013 versuchte seine Regierung angesichts der sich häufenden Korruptionsverfahren auch gegen hochrangige Politiker zudem, eine Art „Superimmunität“ für Parlamentarier zu erzielen, die praktisch einer Straffreiheit von Politikern gleichgekommen wäre. Erst auf starken Druck der EU machte Ponta einen Rückzieher.
Die Bilanz von Pontas Amtszeit fällt wirtschaftlich mit einer Wachstumsprognose von rund 3,3 Prozent verhältnismäßig gut aus. Kurz vor seinem Rücktritt hatte aber Ponta - laut Kritikern in Vorbereitung der Parlamentswahl von 2016 - Steuererleichterungen und Gehaltserhöhungen umgesetzt oder in Aussicht gestellt und damit ein weiteres Kreditabkommen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank und der EU praktisch ausgeschlossen, obwohl diese für ausländische Investoren ein wesentlicher Vertrauensfaktor war. Besonders populär war die Maßnahme der Verringerung der Mehrwertsteuer auf Brot und Bäckereiprodukte, die Herabsetzung der Einheitssteuer von 24 auf 19 Prozent ab Jänner 2016 oder die Anhebung der Ärzte- und Lehrergehälter. Zuletzt zeigte sich die EU-Kommission besorgt, dass das Defizit auf über drei Prozent des BIP ansteigen könnte.