Deutsche Regierung billigt Milliarden-Zahlung an RWE und Vattenfall

Essen/Stockholm (APA/Reuters) - Die deutsche Bundesregierung hat die Strom-Reserve aus alten Braunkohlekraftwerken mit Zahlungen von 1,6 Mrd...

Essen/Stockholm (APA/Reuters) - Die deutsche Bundesregierung hat die Strom-Reserve aus alten Braunkohlekraftwerken mit Zahlungen von 1,6 Mrd. Euro an die Konzerne beschlossen. Das Kabinett billigte am Mittwoch das Vorhaben, wonach die Meiler Zug um Zug aus dem Markt gehen, dann als Reserve dienen und nach sieben Jahren komplett abgeschaltet werden. Ziel ist es, so die nationalen Klimaziele für 2020 doch noch zu erreichen.

Die angeschlagenen Betreiber von acht alten Braunkohlekraftwerken, vor allem Vattenfall und RWE, sollen für die Kraftwerks-Bereitschaft bis 2022 jährlich 230 Mio. Euro erhalten, insgesamt also 1,61 Mrd. Euro. Dies zahlen die Verbraucher über den Strompreis mit, der so leicht steigen wird. Opposition, Umweltgruppen und Verbraucherschützer kritisieren dies. Die Reserve sei zudem überflüssig und es sei fraglich, ob die EU sie genehmige.

Ursprünglich hatte das Wirtschaftsministerium geplant, eine Klimaabgabe für die ältesten Meiler mit ihrem hohen CO2-Ausstoß zu erheben und sie so aus dem Markt zu drängen. Dies war am Widerstand der Konzerne und Gewerkschaften gescheitert, die vor einem Verlust Tausender Arbeitsplätze gewarnt hatten. Auch der Wirtschaftsflügel der Union hatte sich gegen die Abgabe gewandt, sodass letztlich die milliardenschwere Lösung über die Reserve gewählt wurde. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sprach dennoch von einem guten Kompromiss. „Die Stilllegung ist gemessen an anderen Instrumenten preiswert“, sagte er. Die RWE-Aktie stieg nach dem Kabinettsbeschluss zeitweise um über vier Prozent und gehörte zu den größten Gewinnern im DAX.

Das konkurrierende Stadtwerke-Bündnis Trianel erwägt angesichts der Zahlungen an die Groß-Konzerne eine Klage. „Wir werden alle juristischen Optionen prüfen“, sagte Trianel-Chef Sven Becker der „Rheinischen Post“ (Donnerstagausgabe). Dazu gehöre auch ein Klage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union in Luxemburg. „Es sprechen eine ganze Reihe Anzeichen dafür, dass die Braunkohlereserve eine rechtswidrige Beihilfe darstellt.“ Die EU-Kommission prüft dies bereits. Gabriel äußerte sich aber optimistisch: „Wir gehen davon aus, dass dies genehmigt wird.“

Grünen-Vize-Fraktionschef Oliver Krischer wies dagegen daraufhin, dass bereits der wissenschaftliche Dienst des Bundestages Zweifel an der Rechtmäßigkeit geäußert habe. Ähnlich wie die Pkw-Maut werde auch die Kohlereserve von der EU gestoppt, sagte er voraus. Umweltgruppen wie WWF und BUND sprachen von einer „Abwrackprämie“ oder einem „goldenen Handschlag“ für die Betreiber. Deutschland sende damit ein fatales Signal an die Weltklimakonferenz in Paris, die Ende November beginnt.

Deutschland will seinen CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. Trotz des Ausbaus des Ökostroms produzieren die Meiler wegen des niedrigen Kohlepreises vor allem für den Stromexport, sodass die Braunkohleanlagen mit dem hohen CO2-Ausstoß das Klimaziel gefährdeten.

Da Strom aus Wind und Sonne nicht zu jeder Zeit zur Verfügung steht, gilt eine Reserve aus fossilen Kraftwerken für Extrem-Phasen auf dem Strommarkt als nötig. Allerdings ist die Braunkohle-Reserve damit schon die Dritte: Es existiert bereits eine Netz-Reserve für Zonen etwa in Süddeutschland, wo es zu Leitungsengpässen kommen könnte. Zudem finanzieren die Stromkunden schon eine allgemeine Kapazitätsreserve.

Das Kabinett beschloss auch das neue Strommarktdesign, das zu Zeiten von Engpässen auch extrem hohe Preise zulassen soll, die bisher so nicht zulässig sind. Damit könnten sich vergleichsweise teure, aber umweltfreundlichere Gaskraftwerke selbst bei kurzen Produktionszeiten im Jahr wieder lohnen. Der Einsatz der Notfall-Kraftwerks-Reserven würde damit noch unwahrscheinlicher.

~ ISIN DE0007037129 WEB http://www.rwe.com

http://corporate.vattenfall.com/ ~ APA440 2015-11-04/15:20