Sehnsuchtsvoll und vaterlos: Ivana Jeissings Roman „Wintersonnen“

Wien (APA) - Eine demente Mutter, die ausgerechnet dann Panik vor dem angeblichen Schneetreiben in der eigenen Wohnung bekommt, als die Toch...

Wien (APA) - Eine demente Mutter, die ausgerechnet dann Panik vor dem angeblichen Schneetreiben in der eigenen Wohnung bekommt, als die Tochter sich anschickt, Triumphe auf dem Theater zu feiern; ein unbekannt gebliebener Vater, der eine schmerzhafte Leerstelle hinterlassen hat; ein verwunschener Garten, in dem Geheimnisse blühen und verwelken. Ivana Jeissings Roman „Wintersonnen“ ist reich an starken Motiven.

Nach zwei Büchern im Diogenes Verlag - „Unsichtbar“ (2007) und „Felsenbrüter“ (2009) - erscheint der dritte Roman der 1958 in Salzburg geborenen und heute in Berlin lebenden Autorin nun im Metrolit Verlag. Im Zentrum der „Wintersonnen“, die morgen, Freitag, in der Wiener Charim Galerie präsentiert werden, steht die Wiener Schauspielerin Gustava Kirsch, die schwer unter ihrer Mutter Mimi zu leiden hat. Wer ihr Vater ist, verrät sie ihrer Tochter nie, so vehement sie dies auch verlangt. Gustava rächt sich, indem sie sich hinter dem Rücken der Mutter für die Aufnahmsprüfung am Reinhardt Seminar anmeldet. Sie wird eine erfolgreiche Burgschauspielerin - bis sie die fortschreitende Erkrankung von Mimi aus der Bahn wirft.

Wohin die Reise unter diesen „Wintersonnen“geht, ist die längste Zeit unklar. Gerne überlässt man sich jedoch dem Erzählfluss, der auch manche Zeitsprünge inkludiert. Denn Figuren und Situationen sind nicht nur eindringlich geschildert, sondern auch ungewöhnlich. Von der Pflegerin Ernestine, die auf eine schillernde Lebensepisode an der Côte d‘Azur zurückblicken kann, über Mimi, die als Filmvorführerin die Träume anderer Menschen am Laufen hielt, aber über ihren eigenen gescheiterten Lebenstraum nie etwas verriet, bis zum dauerrauchenden Kinderpsychologen Donald, dessen Leibesfülle in einen viel zu engen Anzug gezwängt ist, und dem geheimnisvollen Gärtner Nello sind das alles interessante Gestalten, die manche Überraschungen bereit halten.

Doch allmählich mindern Einwände die Lesefreude: Ivana Jeissing webt ihr Grundmotiv des Kindheitstraumas zwischen dominanter Mutter und fehlendem Vater ein wenig zu dicht, während die nach dem Tod ihrer Mutter nach Berlin übersiedelnde Erzählerin, die versucht, in ihrem Leben und ihrer Karriere neu Fuß zu fassen, durchaus mehr Facetten verdient hätte. Und die Auflösung des geknüpften Erzählknotens erfolgt auf erstaunlich konventionelle Weise - was angesichts der vorangegangenen Originalität enttäuscht.

Diese „Wintersonnen“ sind durchaus angenehm und stellenweise sehr erfreulich, Mitternachtssonnen, die als faszinierendes Phänomen im Gedächtnis bleiben, sind sie allerdings nicht.

(S E R V I C E - Ivana Jeissing: „Wintersonnen“, Metrolit, 234 S., 22,70 Euro, Buchpräsentation; Freitag, 6.11., 19.30 Uhr, in der Charim Galerie, Wien 1, Dorotheergasse 12)