Flussblindheit soll bis 2025 besiegt sein 1

Haarlem/Wien (APA) - Ein „Nobelpreismedikament“, die Entscheidung eines US-Pharmakonzernchefs im Jahr 1987 zu dessen kostenloser Bereitstell...

Haarlem/Wien (APA) - Ein „Nobelpreismedikament“, die Entscheidung eines US-Pharmakonzernchefs im Jahr 1987 zu dessen kostenloser Bereitstellung und ein zwölfköpfiges Pillen-Produktionsteam in den Niederlanden helfen Millionen Menschen in Afrika und Lateinamerika. Bis 2025 sollen durch das Anti-Parasitenmedikament Ivermectin die Flussblindheit und die lymphatische Filiarose (Elephantiasis) besiegt sein.

„2007 war Kolumbien das erste von der Flussblindheit betroffene Land, in dem die Krankheit nicht mehr weiter verbreitet wurde. Ecuador folgte im Jahr 2014, Mexiko in diesem Jahr. Guatemala ist in der Planungsphase für die Überwachungsphase“, sagte der Leiter des „Mectizan (Ivermectin; Anm.) Spendenprogramms“ (MDP), am Mittwoch bei einem Hintergrundgespräch in den Niederlanden.

Die Parasitenerkrankung, hervorgerufen durch Fadenwürmer (Filarien), kommt in weiten Teilen Südamerikas und Afrikas vor. Tagaktive Kriebelmücken, welch bereits Infizierte stechen, nehmen aus dem Blut die Larven der Würmer auf. Durch die Stechmücken wird die Krankheit von Mensch zu Mensch übertragen. Die Larven (Mikrofilarien) reifen im Körper, vor allem in der Haut, heran. Dann werden im Rahmen des Fortpflanzungszyklus wieder Mikrofilarien freigesetzt. Etwa zehn Prozent der Patienten erblinden durch Larven, die in die Hornhaut einwandern. Um die Krankheit unter Kontrolle zu bringen, muss man die Übertragung unterbrechen. Das kann durch eine Ivermectin-Behandlung erfolgen. Gibt es in einem Land drei Jahre keine neu auftauchenden Fälle, bestätigt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Sieg über die Krankheit.

In einzelnen Weltregionen ist man damit schon recht weit. Der Ophthalmologe berichtete: „In Lateinamerika geht es noch um das Amazonasgebiet zwischen Brasilien und Venezuela. Und in Afrika wollen wir die Krankheit bis 2020 in zwölf Staaten mit einer Bevölkerung von 60 Millionen Menschen beseitigt haben.“ In fünf Ländern mit unsicheren politischen Verhältnissen und 35 Millionen Einwohnern wird das wohl etwas länger dauern.“

Die Vorgeschichte dazu: In den 1970er-Jahren sammelte der japanische Mikrobiologe Satoshi Omura Bodenproben, um Streptomyces-Bodenbakterien zur Herstellung neuer Antibiotika etc. zu identifizieren. William C. Campbell, Jahrzehnte lang Forscher beim US-Pharmakonzern Merck, Sharp und Dohme (MSD), konnte vielversprechende Kulturen aufkaufen. Man entdeckte schließlich eine Leitsubstanz und wandelte sie zu Ivermectin ab, das für den Einsatz beim Menschen gegen die Parasiteninfektionen geeignet war. Campbell empfahl, die Substanz zur Bekämpfung der Onchozerkose (Flussblindheit) einzusetzen. Beide Forscher werden neben einer chinesischen Malariaforscherin mit dem Medizinnobelpreis 2015 ausgezeichnet.

Der Clou liegt darin, dass man mit einer bis vier Tabletten zu je drei Milligramm des Wirkstoffs in einer Gabe die Onchozerkose wirksam behandeln kann. Wird das ein oder zwei Mal im Jahr in den Endemiegebieten wiederholt, lässt sich nach einigen Jahren der Übertragungszyklus der Krankheit mit möglicher Blindheit als Endstadium unterbrechen. Es gibt keine Resistenzen gegen das Medikament.

Den entscheidenden Schritt dafür in den ärmsten tropischen Ländern der Welt setzte im Jahr 1987 der damalige MSD-Chef, Roy Vagelos. Er entschied: Der Konzern würde Ivermectan kostenlos so lange wie nötig weltweit zur Verfügung stellen. Damit konnte das entsprechende Programm für afrikanische und lateinamerikanische Staaten zur Bekämpfung der Flussblindheit erst gestartet werden.

Die Herstellung des Arzneimittels erfolgt bei MSD in Haarlem samt Abfüllung der kleinen Tabletten zu je 500 Stück in Glasfläschchen zur einfachen Verteilung. In den betreuten Ländern wurden Netzwerke von Freiwilligenteams in vielen der entlegensten Regionen der Welt etabliert, um dort die regelmäßige Therapie und Aufzeichnungen über die Behandelten zu gewährleisten.