Myanmars Freiheitsikone greift nach der Macht
Oppositionsführerin und Nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi strebt den Sieg ihrer NLD bei den Parlamentswahlen diesen Sonntag an. Ihr Ziel: Ein echter Wandel hin zur Demokratie.
Von Hla-Hla Htay/AFP
Rangun - Für ihren Kampf für Demokratie und Menschenrechte in ihrem Heimatland Myanmar wurde Aung San Suu Kyi mit dem Friedensnobelpreis geehrt - die Militärjunta bestrafte sie mit Haft und jahrelangem Hausarrest. Nach ihrer Freilassung schaffte Suu Kyi vor dreieinhalb Jahren den Einzug ins Parlament.
Für die 70-jährige Oppositionsführerin ist ihre politische Mission damit aber noch lange nicht abgeschlossen: Am Sonntag will sie ihre Partei NLD zum Sieg bei der Parlamentswahl führen.
Bei der Wahl tritt die Nationale Liga für Demokratie (NLD) erstmals landesweit an. Suu Kyi hofft auf eine Mehrheit für ihre Partei. Für viele Menschen in Myanmar verkörpert die Freiheitsikone die Hoffnung auf echte Demokratie. Im Wahlkampf versprach Suu Kyi, sie werde ihr Land zu einem „echten Wandel in Politik und Regierung“ führen.
Höchstes Staatsamt bleibt Suu Kyi verwehrt
Das höchste Staatsamt bleibt ihr nach derzeitiger Rechtslage aber weiterhin verwehrt: Suu Kyi darf gemäß der vom Militär ausgearbeiteten Verfassung nicht als Präsidentin kandidieren, wenn das Parlament Anfang 2016 das neue Staatsoberhaupt wählt. Das Verbot gilt für alle Bürger, deren direkte Angehörige eine ausländische Staatsbürgerschaft haben. Suu Kyis 1999 gestorbener Ehemann war Brite, und auch die beiden Söhne der Oppositionsführerin haben die britische Staatsangehörigkeit.
Suu Kyi ist die Tochter des 1947 ermordeten Unabhängigkeitskämpfers General Aung San. Ihr Weg in die Politik war zunächst alles andere als vorgezeichnet. Suu Kyi wurde in den besten Schulen Ranguns (Yangons) unterrichtet, bevor sie 1969 zum Studium an der renommierten Universität Oxford nach Großbritannien zog. 1972 heiratete sie den britischen Akademiker Michael Aris und bekam mit ihm zwei Kinder.
Freilassung nach 15 Jahren Hausarrest
Zum Schlüsselerlebnis wurde für Suu Kyi das Jahr 1988: Während sie ihre kranke Mutter in ihrer Heimat pflegte, erlebte sie, wie das Militär eine Demokratiebewegung blutig niederschlagen ließ. Sie blieb - und gründete mit anderen Oppositionellen die NLD. Die Junta reagierte prompt: Im Juli 1989 wurde Suu Kyi erstmals unter Hausarrest gestellt - wenige Monate vor dem haushohen Sieg ihrer NLD bei der Parlamentswahl im Jahr 1990. Die Militärregierung erkannte das Ergebnis nie an.
Auch die Verleihung des Friedensnobelpreises im Jahr 1991 und internationale Proteste änderten nichts an den Repressionen. Suu Kyis Ehemann durfte selbst im Endstadium seines Krebsleidens nicht nach Myanmar reisen. Sie selbst blieb aus Furcht, ausgebürgert zu werden, im Land. Aris starb 1999, ohne seine Frau wiederzusehen.
Als Suu Kyi am 13. November 2010 nach rund 15 Jahren von der Junta freigelassen wurde, machte sie klar, dass sie sofort wieder politisch aktiv werden wollte. Seither änderte sich viel in ihrem südostasiatischen Heimatland: Die Macht wurde an eine formal zivile Regierung unter dem früheren General Thein Sein übertragen, der die Zensur lockerte, politische Gefangene freiließ und die NLD wieder zu Wahlen zuließ. Seit einer Nachwahl im Jahr 2012 sitzt „die Dame“, wie Suu Kyi im eigenen Land genannt wird, im Parlament.
Leise Vorwürfe
Die mit zahlreichen Auszeichnungen dekorierte Politikerin genießt auch international hohes Ansehen. Für Kritik sorgte zuletzt allerdings Suu Kyis Weigerung, in der Flüchtlingskrise Partei für die muslimische Minderheit der Rohingya zu ergreifen, die im mehrheitlich buddhistischen Myanmar systematischer Diskriminierung ausgesetzt ist.
Suu Kyi wird auch vorgeworfen, sie habe ihren Idealismus in den vergangenen Jahren allzu oft den Herausforderungen des politischen Alltags geopfert. In ihrer Partei ist sie dennoch unumstritten. Trotz der verfassungsrechtlichen Hürden sieht sie sich daher als künftige starke Frau in Myanmar, sollte ihre NLD die Wahl am Sonntag tatsächlich gewinnen. In diesem Fall werde sie die Regierung anführen. Und wer auch immer Staatschef werde - es werde einer sein, „der in Übereinstimmung mit der Politik der NLD arbeitet“. (APA/AFP)