Suu Kyi greift nach der Macht in Myanmar: Ikone mit Image-Kratzern
Naypyidaw (APA/dpa) - An Selbstbewusstsein mangelt es Aung San Suu Kyi vor den Wahlen in Myanmar (Burma) nicht: „Wir wollen 100 Prozent der ...
Naypyidaw (APA/dpa) - An Selbstbewusstsein mangelt es Aung San Suu Kyi vor den Wahlen in Myanmar (Burma) nicht: „Wir wollen 100 Prozent der Stimmen“, sagt die berühmte Oppositionsführerin im indischen Fernsehen ernsthaft. Und sie will die Macht, auch wenn sie nach der Verfassung nicht Präsidentin werden kann. Ihre Partei, die Nationalliga für Demokratie (NLD), ist da fast Nebensache.
„Ich habe immer klar gemacht: wenn die NLD gewinnt und wir die Regierung stellen, werde ich diese Regierung anführen, egal, ob ich Präsidentin bin oder nicht.“ Mit 70 Jahren will die zierliche Friedensnobelpreisträgerin mit dem perfekten britischen Englisch es endlich wissen.
Weggefährten bescheinigen der NLD-Chefin einen Starrkopf. Sie sei „beratungsresistent“, sagen Diplomaten. Es gibt kein richtiges Wahlprogramm und keine anderen prominenten NLD-Politiker. Das Programm ist Suu Kyi, als Symbol des Widerstands gegen das Militär.
Suu Kyi ist die Tochter des 1947 ermordeten Unabhängigkeitshelden General Aung. Sie wächst im Ausland auf, lebt mit ihrem britischen Mann in Oxford, ehe sie 1988 in die Heimat an das Totenbett ihrer Mutter eilt.
Sie bleibt und setzt sich an die Spitze einer Protestbewegung, die das Militär nach 25 Jahren von der Macht fegen will. 15 der nächsten 22 Jahre verbringt sie unter Hausarrest. 1990 gewinnt ihre Partei NLD die Wahl, aber das Militär ignoriert das Ergebnis.
Suu Kyi wird zum Stachel im Fleisch der Militärs: unbeugsam und kompromisslos auf Demokratie beharrend. Sie bekommt den Friedensnobelpreis, wird in einem Atemzug mit Mahatma Gandhi und Nelson Mandela genannt. Unterdessen wachsen ihre Kinder in England auf, ihr Mann stirbt 1999 an Krebs, ohne dass sie ihn noch einmal sieht.
Erst 2010 richtet die Junta Wahlen aus, danach kommt Suu Kyi frei. Die NLD hat die Wahlen boykottiert, tritt aber 2012 bei Nachwahlen an und räumt 43 von 45 Sitzen ab. Suu Kyi zieht ins Parlament ein.
In den Niederungen der Politik bekommt ihr Ruf als Freiheitsikone aber Kratzer. Zu nah an der Regierung von Gnaden des Militärs, sagen einige. Zu autokratisch in der Partei, sagen andere. Menschenrechtler enttäuscht sie, weil die vom Volk bejubelte staatliche Verfolgung der muslimischen Rohingya nicht anprangert. „Ich wollte nie eine Ikone sein, Ikonen hängen an der Wand herum und tun nichts. Ich bin Politikern“, sagt sie dazu trocken.