Aus für Tanjug sorgt auch in serbischer Regierung für Unmut

Belgrad (APA) - Eigentlich sollte die serbische staatliche Presseagentur Tanjug am heutigen Donnerstag mit einem Empfang ihren 72. Gründungs...

Belgrad (APA) - Eigentlich sollte die serbische staatliche Presseagentur Tanjug am heutigen Donnerstag mit einem Empfang ihren 72. Gründungstag begehen. Die Einladungen wurden von der Geschäftsführung laut Medienberichten dann aber wieder zurückgezogen. Das endgültige Aus für die während des Zweiten Weltkrieges gegründete Presseagentur hat wohl viele überrascht, auch in der Regierung.

Wie die Presseagentur berichtete, soll auch Premier Aleksandar Vucic am Donnerstag seinen Unmut über die Schließung der Tanjug bekundet haben. Er wolle es sagen, damit es dokumentiert werde, wie sehr er wegen des Schicksals der Tanjug enttäuscht sei, wurde Vucic zitiert. Er sei gegen die Liquidierung der Presseagentur gewesen, soll der Regierungschef bei der heutigen Regierungssitzung unterstrichen haben.

Das serbische Kulturministerium hatte zuvor am Mittwochnachmittag die Liquidierung der Presseagentur bestätigt, nachdem zwei Privatisierungsversuche seit dem Sommer gescheitert waren. Warum bei der Tanjug als einzigem serbischen staatlichen Medienhaus nicht die gesetzlichen Bestimmungen angewandt werden, wonach die Beschäftigten zu Aktieninhabern werden können, falls die Privatisierungsversuche scheitern, wurde nicht erläutert.

Eine Anfrage der APA, ob die Presseagentur bereits am Donnerstag ihren Dienst einstellen wird, wie es in Medien geheißen hatte, blieb zunächst sowohl im Kulturministerium wie auch in der Presseagentur selbst unbeantwortet.

Die als Telegrafische Agentur des Neuen Jugoslawien (Tanjug) 1943 im bosnischen Jajce gegründete Nachrichtenagentur hatte zuletzt 188 Beschäftigte. In den kommenden Tagen sollen sie ihr letztes Gehalt erhalten. Die Dokumentation der Presseagentur soll vom staatlichen Archiv übernommen werden, das verbliebene Vermögen von der zuständigen Behörde, berichtete die Tageszeitung „Danas“.

Ihre Sternstunden erlebte die Presseagentur in den 1970er und 1980er Jahren, als sie mit rund 1.000 Beschäftigten und über 50 Auslandskorrespondenten weltweit zu den größten Nachrichtenagenturen zählte und auch unter den Medien der Blockfreien eine wichtige Rolle spielte.

Nach dem Zerfall Jugoslawiens Anfang der 1990er Jahre geriet die Tanjug in eine tiefe Krise, als sie zu einem Sprachrohr der Politik des Regimes von Slobodan Milosevic wurde. Nach dem Sturz des Milosevic-Regimes im Oktober 2000 begann sich die Presseagentur mühsam als unvoreingenommener Nachrichtendienst erneut auf dem Markt zu etablieren.

Eigentlich zeigte sich die Geschäftsführung bis zuletzt optimistisch. Man werde sich auf dem Markt behaupten können, ließ Tanjug-Chefin Branka Djukic zu Jahresbeginn wiederholt wissen. Davon, dass es nicht so werden sollte, wurde wohl auch sie selbst überrascht.

Die Spekulationen, wonach die Regierung die Tanjug nun durch einen eigenen Pressedienst ersetzen will, wurden vom Staatssekretär im Kulturministerium, Sasa Mirkovic, energisch bestritten. Die zwei auf dem serbischen Markt bestehenden privaten Presseagenturen - BETA und FONET - beide wurden von einstigen Tanjug-Redakteuren gegründet - wären ausreichend, meinte er.

Tanjug hatte zuletzt jährlich rund 130.000 Nachrichten, 36.000 Video-Nachrichten und 350.000 Fotografien versendet. In englischer Sprache wurden 2.100 Nachrichten jährlich verfasst. Etwa 100 Medien in Serbien und der Region hatten den Tanjug-Dienst abonniert. Er sei nicht sicher, dass das Aus für die Tanjug eine gute Lösung wäre, kommentierte Nenad Stefanovic, Chefredakteur der Nachrichtenredaktion des TV-Senders RTS.