IS-Bombenanschlag für Briten wahrscheinlich, für Russen Spekulation
Während Flüge gestrichen werden und 9.000 Briten festsitzen, sind britische und amerikanische Sicherheitsexperten der Meinung, dass der Islamische Staat eine Bombe an Bord des im Sinai abgestürzten Flugzeugs geschmuggelt hat. Russland will eine Untersuchung abwarten.
London/Kairo/Moskau - Großbritannien hält es für wahrscheinlich, dass die Extremistengruppe Islamischer Staat (IS) für den Absturz des russischen Passagierflugzeugs auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel verantwortlich ist. Das bestätigte Außenminister Philip Hammond. Sowohl Großbritannien und Irland als auch die Niederlande stoppten daraufhin den Flugverkehr nach und von Sharm el Sheik. Das russische Flugzeug war vom Flughafen des Urlaubsorts gestartet.
Russland spricht von „Spekulation“
Die Einschätzung stütze sich auf Erkenntnisse der Geheimdienste, sagte Hammond und bestätigte damit Informationen aus Sicherheitskreisen. Der Außenminister hatte am Mittwochabend nach einer Sitzung des britischen Sicherheitskabinetts berichtet, es gebe Grund zu der Annahme, dass der Absturz durch eine Bombe an Bord verursacht wurde.
„Wir können nicht sicher sein, dass das russische Passagierflugzeug von einer terroristischen Bombe zum Absturz gebracht wurde“, sagte Premierminister David Cameron in London, „aber es sieht mit zunehmender Wahrscheinlichkeit aus, als sei das der Fall gewesen.“ Ein Anschlag sei wahrscheinlicher, als dass es keiner war, fügte er hinzu.
Die russische Regierung wies die Mutmaßungen als „Spekulation“ zurück. Nur eine Untersuchung könne die Gründe für das Unglück ans Licht bringen, doch gebe es bisher dazu keine offiziellen Aussagen der Ermittler, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag. „Jede andere vorgeschlagene Erklärung mutet wie eine unbestätigte Information oder irgendeine Art von Spekulation an“, fügte Peskow hinzu.
Ähnlich äußerte sich der ägyptische Minister für die zivile Luftfahrt, Hossam Kamal. Die Ermittler verfügten „noch nicht über Beweise oder Daten, die die Theorie bestätigen“, dass es sich um einen Bombenanschlag handle, erklärte Kamal in Kairo. Demnach wird der Flugverkehr nach Sharm el Sheikh aufrechterhalten. Am Donnerstag würden allein 23 Ankünfte aus Russland erwartet. Der Airbus A321 der russischen Gesellschaft Metrojet war in dem Badeort gestartet.
Islamischer Staat hinter dem Absturz?
Europäische und amerikanische Sicherheitsexperten sagten der Nachrichtenagentur Reuters, die vorhandenen Spuren deuteten darauf hin, dass der IS eine Bombe an Bord der Maschine geschmuggelt habe. Bei dem Absturz des Passagierflugzeuges kurz nach dem Start vom Urlaubsort Sharm el Sheik am Roten Meer waren alle 224 Menschen an Bord getötet worden.
Der Airbus A321 der kleinen russischen Gesellschaft Metrojet war am Samstag nur wenige Minuten nach dem Start abgestürzt. Der Sinai ist seit Monaten Schauplatz erbitterter Auseinandersetzungen zwischen ägyptischen Sicherheitskräften und aufständischen Jihadisten.
9.000 Briten sitzen fest
Die knapp 9.000 Briten, die nach dem Stopp aller Flüge in Sharm el Sheik gestrandet sind, können voraussichtlich am Freitag heimfliegen. Es würden kurzfristige Sicherheitsmaßnehmen am Flughafen organisiert, sagte Hammond am Donnerstag der BBC. Dazu gehöre, dass alles, was in die Maschinen gelange, durchleuchtet werde und die Flugzeuge selbst genau überprüft würden.
Diese Sonderkontrollen solle es so lange geben, wie es dauere, alle Urlauber nach Hause zu bringen, betonte Hammond. In einer zweiten Phase würden britische Experten mit den Ägyptern besprechen, wie man die Routinekontrollen an dem Flughafen verschärfen könne. Am Donnerstag sind 19 Flüge von Sharm el Sheik nach Großbritannien ausgefallen, sagte der Minister.
Reisewarnungen bestehen bereits
Die österreichische Botschaft in Kairo evaluiert derzeit stündlich die Situation. Das sagte Thomas Schnöll, Sprecher des Außenministeriums. Für Ägypten bestehen bereits partielle Reisewarnungen.
Vor Reisen in den Nord-Sinai und in das Sahara-Gebiet wird ausdrücklich gewarnt. Für den Süd-Sinai, eben für den Badeort Sharm el Sheikh und Umgebung, besteht ein erhöhtes Sicherheitsrisiko. Man soll demnach in den Tourismuszonen bleiben, sich an Hinweise der Hotels und Reiseveranstalter halten und nur bei bekannten Reiseveranstaltern buchen.
Keine österreichischen Flüge
Schnöll empfahl generell, auf der Webseite des Außenministeriums eine Reiseregistrierung vorzunehmen. Das Ministerium weiß dadurch, wer in Krisengebiete fliegt. Reisende wiederum erhalten von der Botschaft ein SMS mit allen Kontaktdaten.
Derzeit fliegen keine österreichischen Linien nach Sharm el Sheikh. Die Austrian Airlines hätten die Destination im März 2014 aus wirtschaftlichen Gründen aus dem Angebot genommen, sagte ein Sprecher der AUA.
Suche am Absturzort läuft weiter
Russland wollte unterdessen die Suche nach weiteren sterblichen Überresten der 224 Opfer am Unglücksort einstellen. „Wir haben bisher 33 von 40 Quadratkilometern geprüft“, sagte Zivilschutzchef Wladimir Putschkow Donnerstag früh. Zur besseren Übersicht über das Trümmerfeld würden auch Drohnen sowie Weltraum-Satelliten eingesetzt. Mehrere Bergungsteams mit insgesamt 82 Helfern aus Russland seien auf der Sinai-Halbinsel im Dienst. Die Untersuchungen am Wrack, die Aufschluss über die Ursache der Katastrophe geben sollen, würden auf unbestimmte Zeit fortgesetzt, sagte Putschkow.
Russland bestätigte Angaben aus Ägypten, wonach der Stimmenrekorder des Airbus A321 beschädigt sei. Hingegen seien die Informationen vom Flugschreiber an Ermittler weitergegeben worden, teilte eine Untersuchungskommission der Agentur Interfax zufolge in Moskau mit. (APA/Reuters/dpa/tt.com)