Varoufakis warnt vor neuem Griechenland-Crash
Athen/Wien (APA) - Griechenlands Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis hat in Wien vor einer Verschlimmerung der wirtschaftlichen Lage in seine...
Athen/Wien (APA) - Griechenlands Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis hat in Wien vor einer Verschlimmerung der wirtschaftlichen Lage in seiner Heimat gewarnt. „In sechs Monaten wird es schlimmer sein als jetzt“, sagte Varoufakis am Donnerstag zu Journalisten. Er verwies dabei auf fehlende Investitionen, steigende Steuerlast und Abwanderung in dem Mittelmeer-Land.
Schuld daran ist aus seiner Sicht die Auflagen der Gläubiger für Griechenland, die dem Land unter Führung des deutschen Finanzministers auferlegt wurden. „Wolfgang Schäuble weiß, dass dieses Programm zum Scheitern verurteilt ist“, erklärte der 54-jährige Wirtschaftswissenschafter. Den EU-Institutionen und dem Internationalen Währungsfonds (IWF), vormals als Troika bekannt, gehe es nicht darum, die „griechische Wirtschaft zu stabilisieren, sondern diejenigen niederzuzwingen, die es wagen, die Autorität der Troika anzuzweifeln“.
Das zeige sich etwa an der Vereinbarung mit der Regierung, die griechische Unternehmen verpflichten sollte, Steuern im November für das ganze Jahr 2016 im Voraus zu zahlen. „Das macht man nur mit einem Land mit einer kaputten Wirtschaft, wenn man einen Crash herbeiführen will“, sagte Varoufakis.
Über Griechenland sieht er weiterhin das Damokles-Schwert des unfreiwilligen Ausscheidens aus der Eurozone hängen. „Dr. Wolfgang Schäuble wacht jeden Tag in der Früh auf und geht zu Bett mit dem Gedanken an den Grexit, und er sagt das auch, was nicht besonders inspirierend für Investoren mit Interesse in Griechenland ist“, sagte Varoufakis.
In seinem gegenwärtigen Zustand könne das Land aber ohnehin keine Investitionen aus dem Ausland anziehen. „Würden sie etwa in ein Land investieren, dass bankrott ist, dessen Vorgaben für Budgetüberschüsse übertrieben hoch sind - was wie die Ankündigung zu neuen Steuererhöhungen ist - und dessen Bankensystem kein Geld an potenziell profitable Firmen vergeben kann?“, fragte der Ex-Politiker, der im Juli im Streit mit Regierungschef Alexis Tsipras aus dem Amt schied.
Auch für die restlichen Staaten der Währungsunion sieht Varoufakis derzeit wenig Hoffnung. „Die Eurozone ist in einem hilflosen Zustand“, sagte er unter Verweis auf Irland, Spanien und Portugal. Dort sei die Krise keinesfalls vorbei. Portugal halte seine Wirtschaft mit immer neuer Verschuldung am Laufen, Spanien leide immer noch unter hoher Arbeitslosigkeit und grabe mit niedrigen Löhnen in der Autoindustrie Frankreich und Italien das Wasser ab.
Und Irland sei schlicht ein Steuerparadies. „Ich kann ihnen versichern, hätte Österreich eine Körperschaftssteuer von zehn, zwölf Prozent, und wunderbare Abmachungen mit karibischen Inseln, dann wäre Google schon hier“, sagte der Ökonom, der sich selbst als „erratischen Marxisten“ bezeichnet.
Varoufakis unterbreitete in Wien erneut seine Vorschläge für eine neue Krisenpolitik. Die Europäische Zentralbank (EZB), die derzeit mit 60 Milliarden Euro im Monat die Staatsschulden der Euroländer aufkaufe, solle das Geld stattdessen lieber in neue Infrastrukturprojekte investieren. Die Europäische Investitionsbank (EIB) müsse direkt von der EZB Geld erhalten, um kapitalintensive neue grüne Technologien und neue Infrastruktur zu finanzieren. Dies werde letztlich helfen, der schwächelnden Nachfrage in Europa auf die Sprünge zu helfen.
Grund für ein Scheitern solcher Vorschläge sei jedoch der lange schwelende Streit zwischen Deutschland und Frankreich über die Ausrichtung der gemeinsamen Wirtschaftspolitik, sagte Varoufakis. „Und Griechenland ist der Kollateralschaden davon.“