Absturz - Terroranschlag „zunehmend wahrscheinlich“
Kairo/Moskau/London (APA/dpa/AFP/Reuters) - Großbritannien geht im Zusammenhang mit dem Flugzeugabsturz über dem Sinai zunehmend von Terror ...
Kairo/Moskau/London (APA/dpa/AFP/Reuters) - Großbritannien geht im Zusammenhang mit dem Flugzeugabsturz über dem Sinai zunehmend von Terror aus. „Wir können nicht sicher sein, dass die russische Passagiermaschine von einer terroristischen Bombe zum Absturz gebracht wurde“, sagte Premier David Cameron, „aber es sieht mit zunehmender Wahrscheinlichkeit aus, als sei das der Fall gewesen.“ Airlines haben Flüge nach Scharm el Scheich gestoppt.
Großbritannien plante, britische Touristen aus den dortigen Urlaubsregionen auszufliegen. Die Regierung arbeite „mit den Fluglinien und den ägyptischen Behörden“ an entsprechenden Notmaßnahmen, sagte Außenminister Philip Hammond am Donnerstag im Fernsehsender Sky News. London und Washington vermuteten zu diesem Zeitpunkt eine Bombenexplosion als Unglücksursache, Russland wies solche „Spekulationen“ jedoch ebenso wie Ägypten zurück.
Am Flughafen in Scharm el Scheich drohten nach Angaben von Reiseanbietern chaotische Verhältnisse: Mindestens 9.000 Briten saßen am Donnerstag in der Urlaubsregion fest, wie der Verband Abta in London mitteilte. Nach Angaben des Deutschen Reiseverbands (DRV) befanden sich in dieser Woche auch rund 2.000 deutsche Gäste in Scharm el Scheich und im nahe gelegenen Dahab.
Laut Josef Peterleithner, Präsident des österreichischen Reiseverbandes, halten sich derzeit und generell nur sehr wenige Österreicher in der Region auf. „Nur ein Anbieter hat noch einen Charter nach Scharm el Scheik im Programm.“ Der ägyptische Reiseveranstalter mit einem Sitz in Wien fliege an Samstagen mit einer flyniki-Maschine nach Scharm el Scheik.
Neben britischen stellten auch irische und niederländische Ferienflieger die Verbindungen ans Rote Meer vorerst ein. Lufthansa-Maschinen steuern den Badeort zwar nicht an. Die zwei Töchter Eurowings und Edelweiss stoppten ihre Flüge aber vorerst, hieß es in einer Aussendung. Die Austrian Airlines haben die Destination im März 2014 aus wirtschaftlichen Gründen aus dem Angebot genommen, sagte ein Sprecher der AUA.
Die österreichische Botschaft in Kairo evaluiert nach dem Absturz stündlich die Situation. Das betonte Thomas Schnöll, Sprecher des Außenministeriums. Für Ägypten bestehen bereits partielle Reisewarnungen. Vor Reisen in den Nord-Sinai und in das Sahara-Gebiet wird ausdrücklich gewarnt. Für den Süd-Sinai, eben für den Badeort Sharm el Sheikh und Umgebung, besteht ein erhöhtes Sicherheitsrisiko.
Die britische Regierung bekräftigte am Donnerstag, sie halte es für immer wahrscheinlicher, dass Terroristen für den Absturz des Airbus A321 der sibirischen Airline Kolavia verantwortlich seien. Dabei waren am Samstag alle 224 Menschen an Bord ums Leben gekommen. Cameron wollte im Laufe des Tages mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefonieren.
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, sagte in Moskau, sie sei schockiert, dass die britische Regierung offenbar Informationen zurückhalte. Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte, Russland schließe weiter keine Absturzursache aus. „Hypothetische Überlegungen“ über einen möglichen Anschlag seien aber „unpassend“.
Die Regierung in Kairo wies die Vermutungen über einen Anschlag zurück: Die Ermittler hätten dafür bisher keine Belege gefunden, sagte der ägyptische Minister für zivile Luftfahrt, Hussam Kamal. Anderslautende Aussagen seien nur Hypothesen. Auf ägyptischen Flughäfen gälten internationale Sicherheitsstandards.
Allerdings gilt auch für Washington ein Sprengsatz als wahrscheinlich. Ein ranghoher US-Beamter meinte, die Hypothese von einer Bombe an Bord sei „sehr wahrscheinlich“. Der ägyptische Ableger der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hatte am Mittwoch erneut erklärt, er habe die Maschine zum Absturz gebracht, die Fluggesellschaft Metrojet am Montag einen technischen Defekt ausgeschlossen und von einer „äußeren“ Ursache für den Absturz gesprochen.
Der IS hat nach dem Beginn der Intervention der russischen Luftwaffe in den syrischen Bürgerkrieg am 30. September zum Krieg gegen Russland aufgerufen. Zudem hat sich der IS zu einer Reihe von Anschlägen in Ägypten bekannt, um die Regierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi zu destabilisieren. Der Sinai ist Schauplatz erbitterter Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und aufständischen Islamisten. Sollte sich herausstellen, dass der Absturz auf eine Bombe zurückzuführen ist, wäre das ein schwerer Schlag gegen die Tourismusindustrie des Landes. Das Geschäft mit den Urlaubern ist eine unverzichtbare Einnahmequelle für Ägypten.
Am Donnerstag fielen nach Behördenangaben 19 Flüge von Scharm el Scheich nach Großbritannien aus. Für gestrandete Urlauber könnte die Reise am Freitag weitergehen. Es würden Sicherheitsmaßnahmen am Flughafen organisiert, sagte Außenminister Hammond. Dazu gehöre, dass alles, was in die Maschinen gelange, durchleuchtet werde und die Flugzeuge selbst genau überprüft würden.
„Wir fliegen ohne Veränderungen“, betonte hingegen Sergej Iswolski vom Luftfahrtamt in Moskau. Oleg Safonow vom russischen Tourismusverband räumte ein, die Buchungen für einen Urlaub am Roten Meer seien nach dem Absturz massiv zurückgegangen. Der Chef des russischen Luftfahrtamts, Alexander Neradko, rechnet mit langwierigen Ermittlungen.