TT-Interview

Schnipo Schranke: Unschöne Fehler ungeschönt

© Jenny Schäfer

Fäkalhumor und dicke Hose: Das Popduo „Schnipo Schranke“ spielt am Mittwoch in der Innsbrucker p.m.k. Die beiden Musikerinnen im Gespräch über Liebe und Schamhaare.

Ihr Debütalbum „Satt“ dreht sich wie so häufig im Pop um die Liebe, haben Sie deswegen bewusst auf Fäkal- und Genitalhumor gesetzt?

Daniela Reis:

Nein gar nicht, wir dachten, wir schreiben einfach mal das, was wir unterhaltsam finden. Etwas, das uns entspricht. Dass das im Jahr 2015 so eine Welle macht, hätten wir uns nicht gedacht.

Friederike „Fritzi“ Ernst:

Jetzt, wo wir die Branche ein bisschen kennen, ist uns klar, dass die Presse einen Aufhänger braucht. Wir lebten zu der Zeit, als wir das Album geschrieben haben, aber auch sehr abgeschottet. Wir haben tatsächlich nicht damit gerechnet, dass das was Besonderes ist.

Die sexuell explizite Sprache ist im Rap gang und gäbe. Sind Sie Rap-Fans?

Ernst:

Ja, wir hören das gerne, wir finden das unterhaltsam.

Reis: Während wir am Album gearbeitet haben, haben wir viel Sido gehört.

Ihr Sound sei gewissermaßen die popmusikalische Version von Charlotte Roches „Feuchtgebieten“, das war gleich in mehreren Zeitungen zu lesen. Hat Sie der Roman beeinflusst?

Reis:

Ich kenn? den Roman nicht, also kann mich das auch gar nicht beeinflusst haben.

Ernst:

Der Vergleich mit Charlotte Roche ist auch insofern falsch, weil wir keine feministischen Absichten hatten, wie das bei Frau Roche der Fall war. Wir haben unsere Texte aus einer großen Selbstverständlichkeit heraus geschrieben. Deswegen haben wir uns eindeutig eher an den Gangsterrappern orientiert, wenn überhaupt an irgendwem.

Im Gegensatz zum Gangsterrap himmeln Sie das andere Geschlecht aber ziemlich an. Obwohl die Typen meist Arschlöcher sind.

Reis:

Wir singen über Schwächen, weil wir es einfach schön finden, unsere Schwächen auf der Bühne auszubreiten. Wenn man sich von einem Mann abhängig macht, dann ist das ein großer Schwachpunkt und es ist eigentlich unüblich, dass man das in der Öffentlichkeit zugibt. Drum dachten wir uns, dass es eine Berechtigung hat, was wir machen. Einfach ungeschönt darüber singen, was wir selbst für unschöne Fehler machen.

Reizt Sie der Widerspruch zwischen dem offensiven Fäkal- und Genitalhumor und dem eher klassisch weiblich-defensiven Rollenbild?

Reis:

Das geht doch miteinander einher. Wenn man schwach ist, hat man Lust, sich total scharf auszudrücken und dem anderen eins auf die Mütze zu geben, wenn auch nur verbal. Es sind ja bestimmt auch alle Gangsterrapper früher mal gedisst worden. Das entspricht einfach unseren Persönlichkeiten.

Sie machen wie gesagt keine dezidiert feministische Kunst, auch wenn die von Ihnen besungene Körperlichkeit im Feuilleton als eine neue Form des Feminismus gefeiert wurde. Sie ekeln sich aber nicht etwa vor dem Feminismus wie beispielsweise Autorin Ronja von Rönne?

Reis:

Nee, natürlich ekelt uns das nicht an. Es ist ein wichtiges Thema, aber als wir angefangen haben zu schreiben, war es für uns persönlich kein Thema. Und wenn wir sagen, dass wir das nicht aus feministischen Gründen gemacht haben, dann heißt das nur, dass wir nicht berechnend feministische Texte geschrieben haben. Wir haben einfach geschrieben, was uns eingefallen ist.

Ernst:

Beim Texten sind wir aber extrem penibel und feilen sehr lange herum. Wir finden es ja auch lustig, wenn andere so explizit sprechen oder sich in ihren Liedern explizit ausdrücken.

Ihr Song „Pisse“ wurde vom Popmagazin „Intro“ zum Song des Jahres 2014 gewählt. Es gibt auch eine Band gleichen Namens aus Hoyerswerda. Ist Pisse ein guter Bandname?

Reis:

Nö, das find? ich zu einfach, platt irgendwie. Da ist gleich klar, wie die ticken.

Sie haben sich auf der Frankfurter Musikhochschule kennen gelernt, Friederike Ernst hat Blockflöte studiert, Daniela Reis Cello. Wäre Klassik ein Alternative?

Reis:

Also diese Klassikwelt ist total absurd. Ich mag auch nicht, dass es da Vorschriften gibt, wie man sich auf der Bühne zu verhalten hat. Im Prinzip reproduziert man nur Sachen, die andere Leute geschrieben haben, und wir wollten gerne was eigenes machen.

In Ihren Texten geht es oft um das Scheitern. Wird sich das mit dem Erfolg jetzt ändern?

Reis:

Wir schreiben bereits an neuen Texten. Ich hab? keine Lust, jetzt auf Fäkalsprache zu verzichten, es wäre ja nicht authentisch, wenn wir nicht mehr so schreiben würden. Das würde ja heißen, wir haben was konstruiert.

Das Gespräch führte Silvana Resch

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