Flugzeugabsturz: Auch Russland streicht Flüge nach Ägypten
Moskau stellt seine Flüge nach Ägypten komplett ein. War eine Bombe an Bord des russischen Unglücksflugzeugs in Ägypten? Es gibt neue Hinweise.
Sharm el-Sheikh, Washington – Nach der Flugzeugkatastrophe auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel mehren sich Hinweise auf einen Terroranschlag. Russland stellte seine Flüge in das beliebte Urlaubsland komplett ein. Bislang hatten britische und westeuropäische Airlines lediglich ihre Verbindungen zum Badeort Sharm el-Sheikh gestoppt. Dort war am vergangenen Samstag der russische Ferienflieger gestartet, der über dem Sinai abstürzte. Alle 224 Insassen kamen ums Leben.
Nach Berichten über internationale Geheimdiensthinweise auf einen Sprengsatz an Bord der Maschine wies der russische Präsident Wladimir Putin die Regierung an, die Flüge zu stoppen. Das hatte zuvor der russische Inlandsgeheimdienst FSB vorgeschlagen. Dies bedeute nicht, dass Russland sich auf einen Terroranschlag als Absturzursache festlege, betonte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitag in Moskau.
Die britische Regierung erhielt einem Bericht der BBCzufolge Hinweise, wonach möglicherweise eine Bombe im Frachtraum des Airbus A321 versteckt gewesen sei. Die BBC-Informationen stützten sich auf abgehörte Gespräche von Milizen auf der Sinai-Halbinsel. Zuvor hatte die Terrormiliz IS behauptet, für die Katastrophe verantwortlich zu sein.
Explosionsgeräusch zu hören?
Nach französischen Medienberichten stützt dieAuswertung der Flugschreiber der abgestürzten Maschine die These eines Terroranschlags. Während des Flugs sei klar ein Explosionsgeräusch zu hören, berichtete der Fernsehsender France 2 online unter Verweis auf einen Ermittler. Dieser habe erklärt, die Explosion sei nicht die Folge einerTriebwerkspanne.
Der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler, sagte der „Huffington Post“, Moskau sträube sich gegen die wachsende Wahrscheinlichkeit eines Terroranschlags, könne aber die Gefahr eines weiteren Anschlags nicht länger ignorieren. Sollte tatsächlich der IS hinter dem Unglück stehen, laute dessen Botschaft an Moskau:„Wir nehmen es mit Euch auf und werden Euch treffen, egal wo auf der Welt.“ Dies müsse die russische Politik alarmieren. Russland fliegt seit Ende September Kampfeinsätze gegen die Rebellen in Syrien.
Auch die USA schließen einen Terroranschlag nicht aus. Es gebe die Möglichkeit, dass eine Bombe an Bord war, sagte US-Präsident Barack Obama dem Radiosender CBS. „Wir nehmen das sehr ernst.“
Urlauber sitzen fest
Nach Behördenangaben sitzen rund 45.000 russische Urlauber in den ägyptischen Badeorten am Roten Meer fest. Der Tourismusverband schätzt die Zahl sogar auf rund 70.000. Ägypten ist eines der beliebtesten Ferienziele der Russen. Der Rücktransport könnte nach Expertenschätzung zwei Wochen oder länger dauern. Die Gesellschaft Aeroflot schickte noch am Abend eine leere Maschine nach Kairo. Eine Reisewarnung des Außenministeriums in Moskau gab es zunächst nicht.
Nach dem Flugverbot hielten die Behörden bereits die ersten Maschinen an den Moskauer Flughäfen zurück. Mehr als zehn Flüge seien am Abend aufgehalten worden, meldete die Agentur Tass. Die Behörden richteten einen Krisenstab ein mit Vizeregierungschef Arkadi Dworkowitsch an der Spitze. Der Stab soll den Rücktransport der in Ägypten gestrandeten Russen organisieren.
Zuvor hatten britische und weitere westeuropäische Airlines ihre Verbindungen zum Badeort Sharm el-Sheikh eingestellt. In der Region sitzen auch bis zu 20.000 Briten fest. Eine groß angelegte Rückholaktion der britischen Regierung lief wegen einer Blockade durch die ägyptischen Behörden nur schleppend an. Offiziellen Angaben zufolge durften zunächst nur 8 von 29 geplanten Sonderflügen starten.
Proben von Trümmerteilen gesammelt
Der ägyptische Minister für zivile Luftfahrt, Hussam Kamal, begründete die Restriktionen mit dem Hinweis, die Kapazität des Airports reiche nicht aus. Die große Menge an Gepäck behindere den Betrieb am Flughafen, meinte er. Aus Sicherheitsgründen sollten die Rückkehrer nur Handgepäck mitnehmen dürfen, die Koffer sollten zunächst in Ägypten bleiben.
Der russische Zivilschutzchef Wladimir Putschkow sagte, Helfer hätten am Absturzort alle notwendigen Proben von Trümmerteilen gesammelt und zur Prüfung nach Moskau geschickt. „Die Proben stammen von allen Elementen, an denen Spuren von Sprengstoff sein könnten“, sagte er.
Sollte eine Bombe das russische Passagierflugzeug zum Absturz gebracht habe, wäre das auch ein schwerer Schlag für den Tourismus Ägyptens. Die Branche trägt rund elf Prozent zum ägyptischen Bruttoinlandsprodukt bei. (dpa/TT.com)