Teil eins von Innsbrucks zukünftiger Stadtmauer
Als Reverenz an Lois Welzenbacher hat Jörg Streli die neue Mentlvilla der Caritas direkt an die Innsbrucker Südbahnstraße gebaut.
Von Edith Schlocker
Innsbruck –Das, was man sich unter einer Villa vorstellt, ist die Innsbrucker Mentlvilla absolut nicht: weder die alte noch die neue, von Jörg Streli geplante. Errichtet fast an demselben Ort wie die bisherige, längst baufällige Notschlafstelle der Caritas für suchtkranke Menschen. Fast, weil das neue Haus laut Bebauungsplan direkt an die Südbahnstraße gerückt werden musste, sozusagen als erster Teil einer zukünftigen „Stadtmauer“, die bis zum Südring weitergeführt werden soll. Was die Setzung des Baukörpers erklärt, genauso wie seine markante Auskragung, unter der irgendwann einmal die Busse durchfahren sollen.
Noch ragt die Mentlvilla allerdings als schlanker weißer Monolith aus der architektonisch heterogenen Nachbarschaft steil in die Höhe. Dass dieser auf einem hohen Sockel zu sitzen scheint, ist der Auskragung über dem ersten Obergeschoß geschuldet. Die noch extremer daherkommt, indem die straßenseitige Ecke abgeschrägt ist, während die Wand zur Südbahnstraße hin bis auf den zurückgesetzten Eingang über zwei Geschoße komplett geschlossen bzw. jene zur Mentlgasse total gläsern aufgelöst ist.
Der viergeschoßige Baukörper, der auf diesem „Sockel“ sitzt, markiert leicht spitzwinkelig die Situation als Eckhaus. Seine fast burgartige Anmutung bekommt das Haus durch die sehr spezielle Setzung der kleinen, fast quadratischen und fast schwarzen Fenster bzw. durch Fensterbänder unterschiedlicher Länge. Sozusagen an seiner Rückseite öffnet sich das Gebäude in den vier oberen Geschoßen dagegen durch je einen kleinen Balkon, die exakt übereinander wie schlichte metallene Körbe vor die Fassade gehängt sind. Reizvoll relativiert wird die Stringenz der Geometrie durch die Feuermauer zum linksseitigen Nachbarn hin, die der Grundstücksituation wegen leicht konkav geschwungen ist. Wodurch sich höchst reizvolle Durchblicke in nachbarschaftliche Gefilde ergeben.
Dass die neue Mentlvilla unwillkürlich an Lois Welzenbacher denken lässt, stört Jörg Streli in keinster Weise. Ganz im Gegenteil, versteht er seinen Entwurf doch ganz bewusst als Reverenz an den großen Tiroler Klassiker der Moderne. Der Auftrag zum Bau der neuen Mentlvilla sei eine „höchst interessante Herausforderung“ gewesen, sagt Streli, der in seinem langen Architektenleben schon viel gebaut hat, ein Haus wie dieses aber noch nie. Für suchtkranke Menschen, deren Bedürfnisse ganz besondere sind. Wobei unter einem Dach, aber räumlich total getrennt, die Notschlafstelle genauso wie ein als Café gestalteter Beratungs- und Aufenthaltsbereich für Suchtkranke hier Platz finden mussten.
Atmosphäre zu schaffen, war Jörg Streli wichtig. Die verwendeten Materialien sollten einfach, funktionell und pur sein, trotz des engen finanziellen Korsetts aber nicht billig daherkommen. So wurden etwa die Leitungen bzw. Lüftungsrohre nicht hinter abgehängten Decken versteckt, was den Räumen angenehme Höhen verschafft. Die ebenfalls von Streli entworfenen Möbel im Café sind aus hellbraunen MDF-Platten bzw. Holz gebaut, die Böden sind aus Kautschuk und genauso fröhlich bunt wie die Türen. Die Wände sind weiß gestrichen, die Decken aus Sichtbeton und nur über dem Bar-, Ess-, bzw. Aufenthaltsbereich mit wohnlich abgehängten Elementen bestückt. Als Beleuchtung reichen schlichte Lichtbänder.
Die auf dem Flachdach des Passivhauses liegenden Sonnenkollektoren sind geschickt hinter einer hohen Attika versteckt. Indem die neue Mentlvilla an die Südbahnstraße gerückt wurde, ist rückseitig ein hübscher kleiner, von einem Holzzaun gefasster Garten entstanden, in dem auch bereits zwei Bäume ihre Wurzeln zu schlagen beginnen.