Studio Olafur Eliasson: Kreativfabrik in ehemaliger Berliner Brauerei
Berlin/Wien (APA) - Eine ehemalige Brauerei auf dem Prenzlauer Berg in Berlin. Galerien, Lokale und ein Hostel erfüllen die alten Backsteinm...
Berlin/Wien (APA) - Eine ehemalige Brauerei auf dem Prenzlauer Berg in Berlin. Galerien, Lokale und ein Hostel erfüllen die alten Backsteinmauern mit neuem Leben. Am größten Gebäude erinnert eine Verladerampe an die Vergangenheit des Areals. Am großen Klingelbrett steht neben einer einzigen Taste ein Name: „Studio Olafur Eliasson“. Auf fünf Etagen wird hier geforscht, gearbeitet, erfunden, montiert und archiviert.
Das aktuelle Ranking von „ArtReview“ listet den 48-jährigen Dänen isländischer Herkunft unter den einflussreichsten Menschen der gegenwärtigen Kunstwelt auf Platz 64 auf, Tendenz steigend. „Es gibt nicht viele Künstler, deren Werk mit solcher Leichtigkeit die Disziplinen wechselt, dass sie es sowohl auf das Cover der ‚ArtReview‘ wie von ‚Wired‘ schaffen, wie es ihm gelungen ist“, kommentierte das Londoner Kunstmagazin. Tatsächlich erinnert beim APA-Exklusivbesuch kaum etwas an ein Künstleratelier herkömmlicher Vorstellung.
Die 2008 bezogenen weitläufigen Räume haben sehr unterschiedliche Atmosphäre. Im Keller etwa befindet sich die Holzwerkstatt mit umfangreichem Holzlager. Niemand käme auf die Idee, sich hier statt in einer Tischlerei in der Abteilung einer Kreativ-Fabrik zu befinden. Hier werden auch die Transportboxen für die Kunstwerke angefertigt, die in alle Welt verschickt werden. Eine große Kiste trägt die Aufschrift „Wien“. Im Winterpalais des Prinzen Eugen wird sie ausgepackt werden, für die Ausstellung „Olafur Eliasson: Baroque Baroque“, die am 20. November eröffnet wird.
In zwei Malersälen unter dem Dach wird mit Pigmenten und Farbwirkung experimentiert. Lässt sich der Eindruck, den Gemälde von William Turner oder Caspar David Friedrich beim Betrachter hinterlassen, mit abstrakten Farbscheiben erzielen, lautet die Fragestellung. Es herrscht, wie überall im Gebäude, konzentrierte Ruhe. Hier kann man sich offenbar alle Zeit der Welt zum Tüfteln und Ausprobieren nehmen. „Es ist manchmal wie ein kreativer Spielplatz. Und nie weiß man, wie und was Olafur dann wirklich einsetzen wird“, bestätigt auch Christian Uchtmann in der Metallwerkstatt.
Uchtmann ist einer der Veteranen hier. Er erinnert sich gut an die Zeit, als das Studio des Künstlers noch in der Nähe des Hamburger Bahnhofs angesiedelt war. „Damals, 2001, waren wir an die 15 Leute, ganz anders als heute. Aber viele sind noch immer dabei. Denn es ist etwas Besonderes, hier zu arbeiten.“ Gegenwärtig experimentiert Uchtmann mit einem mehrfach beweglichen Ventilator-Objekt sowie mit Leuchtturm-Optik. Eliasson hat ein altes Depot mit riesigen Leuchtturm-Linsen aufgespürt, die er kaufen möchte. In seiner Prototypen-Abteilung wird einmal ausprobiert, was sich daraus machen ließe.
Gleich nebenan befindet sich im ehemaligen Pferdestall der große Experimentierraum. Durch die Entfernung einer Decke ist er über acht Meter hoch. Hier wird mit den riesigen Spiegelflächen gearbeitet, die auch die Ausstellung in Wien prägen werden, hier können große Objekte gebaut werden, für die anderswo zu wenig Platz wäre. Gegenwärtig ist ein Wasserbassin aufgebaut, dessen unterschiedliche Beleuchtung getestet wird. Wasser wird nämlich ein wesentliches Gestaltungselement bei einem Gebäude, an dem zwei Stockwerke darüber gezeichnet wird: ein Mischkomplex aus Konzernzentrale und öffentlichen Räumen im Hafenbecken der dänischen Stadt Vejle. Das Gebäude sieht aus wie eine Mischung aus mittelalterlicher Burg und Wasserschloss. Im Studio von Olafur Eliasson wird aber nicht nur seine Architektur, sondern auch seine gesamte Innenausstattung extra entworfen.
Mindestens zwei Tage in der Woche sowie eine Woche im Monat ist der Künstler, der mit seiner Familie in Kopenhagen lebt, in seinem Berliner Studio anwesend, um jene Projekte voranzutreiben, deren Spuren man hier auf Schritt und Tritt begegnet. Auf Tischen sind Kartonmodelle kommender Ausstellungen aufgebaut, für das „Leeum, Samsung Museum of Art“ in Seoul etwa, oder für das Long Museum in Schanghai, wo im März 2016 eine große Schau eröffnen soll.
Direkt daneben erinnern Fotos an Eliassons Bühnenbild der Ballett-Produktion „Tree of Codes“ von Wayne McGregor, die im Sommer in Manchester Premiere hatte und auf Tour gehen wird. Würfel- und Lichtobjekte in den Regalen, Fotos von „Your rainbow panorama“, einem vielfarbigen Glasrundgang auf einem Museumsdach in Aarhus, oder der „Cirkelbroen“ (Kreisbrücke) in Kopenhagen - man wähnt sich in einer Mischung aus Architekturbüro, Naturkundemuseum und Wunderkammer. Tatsächlich hängen im Bibliotheks- und Besprechungsraum des Studios einige seiner „Starbricks“, jene Deckenleuchten, die man auch in der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums in Wien erleben kann. Bücher werden vom Studio übrigens auch herausgegeben - darunter befindet sich auch ein eigenes Kochbuch, das im Frühjahr 2016 bei Phaidon erscheint.
Kochen und gemeinsam Essen ist wichtig im Studio Olafur Eliasson, und der Raum, in dem die Küche und viele lange Esstische untergebracht sind, ist das Herzstück des Hauses - mehr noch als Eliassons riesiges Büro, in dem der Künstler in einer gemütlichen Sitzecke oder an einem Echtholz-Besprechungstisch ganz entspannt über die vielen Projekte, die rund um ihn entstehen, Auskunft gibt. Eliasson ist Arbeitgeber von 90 Menschen, und sie alle strömen um 13 Uhr zum gemeinsamen, selbstverständlich aus biologischen und vegetarischen Zutaten zubereiteten Mittagessen. Vier Angestellte kümmern sich in der Küche um das leibliche Wohl der Kollegen, die gratis verköstigt werden, dafür achtmal im Jahr eine Woche Küchendienst schieben.
„Diese Essen haben für uns eine große Bedeutung, das ist der einzige Zeitpunkt des Tages, wo wir alle zusammenkommen“, sagt Camilla Kragelund von der rund 15-köpfigen Abteilung Research and Communications. Es herrscht eine sympathische, angeregte Atmosphäre wie in einer Uni-Kantine, auch der Altersdurchschnitt ist niedrig. Nein, sie kenne nicht alle, die da mit ihr an einem langen Tisch sitzen und fröhlich plaudernd Suppe und Salat auf ihre Teller schaufeln, bekennt die Projektmanagerin Sharron Ping-Jen Lee, eine in Taiwan geborene Architektin mit Vorarlberger Familienanschluss. Vor allem die vielen Praktikanten sorgten für ständig neue Gesichter. Aber es sei doch schön, immer wieder neue Leute kennenlernen zu können.
Einen Neuzugang hat übrigens auch das Pfefferberg-Areal verzeichnet, das so viele positive Energie verströmt. Der nach Berlin übersiedelte chinesische Künstler Ai Weiwei hat in den weiträumigen Kellergewölben der ehemaligen Brauerei ein Atelier bezogen. Am Sonntag hat er seine viel beachtete Antrittsvorlesung an der Universität der Künste gehalten. Im aktuellen „ArtReview“-Ranking belegt Ai Weiwei übrigens Platz 2. Der Pfefferberg ist auf dem besten Weg zum Kunst-Hotspot zu werden.
(S E R V I C E - http://www.olafureliasson.net)