Olafur Eliasson 2 - TBA21 plant Flüchtlingsprojekt im Augarten
Wien/Berlin (APA) - APA: Ursprünglich war die Ausstellung in Wien sowohl für das Winterpalais als auch für das derzeit von TBA21 bespielte A...
Wien/Berlin (APA) - APA: Ursprünglich war die Ausstellung in Wien sowohl für das Winterpalais als auch für das derzeit von TBA21 bespielte Atelier Augarten konzipiert. Nun sind Sie aber an der Entwicklung eines Flüchtlingsprojekts beteiligt, das dort stattfinden soll.
Eliasson: Ich kenne Francesca von Habsburg sehr gut und sehr lange. Ich habe immer ihre Courage geschätzt, sich in Sachen hineinzuwerfen, bevor sich die Konsequenzen genau überschauen lassen. Heute traut sich niemand, einfach mal was anzufangen. Wir haben schon seit längerem darüber diskutiert, im Augarten etwas zu machen, das ernsthaft mit der aktuellen Situation umgeht. Wie kann man diesen Ausstellungsort in eine Art sozialer Plattform umwandeln, wo nachhaltig gezeigt wird, wie man im kulturellen Sektor Fragen anders beantworten könnte? Wir sind da schon sehr weit gekommen. TBA21 hat ein größeres Team darauf angesetzt und arbeitet dafür mit verschiedenen Organisationen zusammen. Ziel ist, dass das Projekt im Februar startet.
APA: Nun ist die Wiener Ausstellung zur Gänze im Winterpalais zu sehen, kein White Cube, sondern ein stark vordefinierter Ort, der Sie offenbar gereizt hat, weil er sich im Titel widerspiegelt: „Baroque Baroque“.
Eliasson: Francescas Ambition war es, auszustellen, was sie über viele Jahre hinweg von mir als Sammlerin erworben hat und gleichzeitig die Sammlung von Juan und Patrizia Vergez zu integrieren. Sie hat das Winterpalais vorgeschlagen und ich fand, dass dieser Ort und meine Arbeiten einen spannenden Dialog eingehen könnten. Im Barock gibt es eine Art von produktiven Dekonstruktivismus, mit dem ich mich immer sehr stark identifizieren konnte. Insbesondere im Hochbarock zeigt sich ein Vertrauen in den Betrachter, das mich immer wieder sehr inspiriert hat. Oft denkt man, damals hätte es eine Art von illusionistischen Anspruch gegeben. Ich bin mir aber sicher, dass die Leute damals genau wussten, dass man bei einem Deckengemälde von Tiepolo nicht tatsächlich durch ein Loch in den Himmel schaute, wo die Engelchen herumflogen. Einerseits ist es ein Traum, andererseits weiß jeder: Das ist ein Konstrukt. So wie auch die sogenannte Wirklichkeit ein Konstrukt ist. Und so kommt es zum Titel „Baroque Baroque“. Er ist einerseits die Anspielung auf die damalige Zeit, andererseits der Verweis darauf, dass es so etwas wie Wirklichkeit gar nicht gibt. Alles ist ein Modell.
APA: Das Illusionistische prägt ja auch Ihre erfolgreichsten Arbeiten. Dabei fußen die meisten auf ganz simplen naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten und verwenden etwa Spiegel oder Kaleidoskope, deren Funktionsweise wir alle kennen. Und bei vielen Installationen kann man auch selber mittun.
Eliasson: Es geht darum, das eigene Erlebnis evaluieren und dekonstruieren zu können. Man geht in ein kulturelles Netzwerk hinein - und wird gesehen, geschätzt, wahrgenommen. In unserer Gesellschaft ist das ja das größte Problem: Man fühlt sich ausgeschlossen, marginalisiert. Das Potenzial liegt in der Interkonnektivität, in der Kohäsion.
APA: Am häufigsten arbeiten sie mit Licht. Warum ist das so?
Eliasson: Das hat einerseits pragmatische Gründe, andererseits - und das ist viel wichtiger - ist Licht ein atmosphärisch sehr produktives Material. In einer Zeit, in der die Dematerialisierung von Gütern oder Werten ein großes Thema ist, ist Licht ein toller Träger. Licht genießt das Vertrauen von allen Menschen. Jeder weiß etwas über Licht zu sagen. So hat Licht etwas Inklusives. Jede Religion, jede Form von Spiritualität, aber auch jede Art von Funktionalität hat mit Licht zu tun. Daher ist Licht ein unglaublich tolles Mittel, um Leute zusammenzubringen.
APA: Hier im Studio haben Sie 90 Leute zusammengebracht - wie in einem mittelständischen Betrieb. Wie weit beeinflusst die Verantwortung für diese Menschen auch Ihre künstlerische Arbeit?
Eliasson: Ich nehme die Verantwortung diesen Leuten gegenüber sehr ernst. Aber ich habe natürlich jemanden, der sich um Personalfragen kümmert, damit ich mich auf künstlerische Entscheidungen konzentrieren kann. Das wissen auch alle. Die Leute verstehen das. Aber wir fangen nichts an, worüber wir nicht vorher genau Bescheid wissen. Über eine Ausstellung weiß ich normalerweise mehrere Jahre vorher Bescheid. Wir sind nicht im gleichen Ausmaß wie ein Mittelstandsunternehmen dem fluktuierenden Markt unterworfen. Persönlich bin ich da nicht so sehr involviert, diesen Part übernehmen meine Galerien. Dafür habe ich viele Kontakte im zivilgesellschaftlichen „Maschinenraum“. Ich arbeite viel mit dem öffentlichen Sektor zusammen. Dabei ist es mir sehr wichtig, zu zeigen, dass ich genauso gut wie jeder andere mit Steuergeldern umgehen kann - oder sogar besser.
APA: Sie leiteten 2009 bis 2014 das „Institut für Raumexperimente“ an der Universität der Künste Berlin. Gegenwärtig haben Sie eine Professur im äthiopischen Addis Abeba. Was sind dort die speziellen Herausforderungen an einen Künstler wie Sie?
Eliasson: Ich bin eigentlich dort, weil ich mir viel Inspiration von jungen Menschen holen kann. Ich bin zwar als Lehrer beschäftigt, aber die Wahrheit ist, dass ich lerne. Meine Rolle dort ist unter anderem Mut zu machen, dass junge Künstler sich nicht zu unkritisch und zu stark vom Westen beeinflussen lassen, sondern die eigenen lokalen Qualitäten als Ressource sehen. Wir müssen vermeiden, daraus sofort eine europäische Kunstakademie machen zu wollen.
(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)