Ausgang der kroatischen Parlamentswahl am Sonntag völlig offen

Zagreb (APA) - Kroatien wählt am Sonntag ein neues Parlament. Noch nie zuvor war der Ausgang so ungewiss. Die beiden großen Lager - die von ...

Zagreb (APA) - Kroatien wählt am Sonntag ein neues Parlament. Noch nie zuvor war der Ausgang so ungewiss. Die beiden großen Lager - die von den Sozialdemokraten (SDP) angeführte regierende Mitte-Links-Koalition und die oppositionelle konservative HDZ - liegen in den Umfragen gleichauf. Am Wahlabend dürfte es daher noch nicht klar sein, wer die nächsten vier Jahren in Kroatien regieren wird.

Wer auch immer die Wahl am Sonntag gewinnt, wird noch keine Mehrheit im Parlament haben. Beide Lager sind nämlich noch weit von 76 Mandaten im 151-köpfigen Sabor entfernt, die einem den Auftrag für die Regierungsbildung sichert. Mit dem Regierungsauftrag wird laut kroatischer Verfassung nämlich derjenige betraut, der im Voraus zeigen kann, die erforderliche Mehrheit in der Tasche zu haben.

Deshalb erwarten kroatische Politikexperten, dass der eigentliche Kampf erst nach dem Wahlabend beginnen wird. Dann werden die beiden Großparteien nämlich um die Unterstützung der kleineren Parteien ringen müssen.

Das von der HDZ angeführte Bündnis „Patriotische Koalition“ hat in der Umfrage des kroatischen Privatsenders RTL einen leichten Vorsprung vor der regierenden Koalition, die ihr Wahlbündnis „Kroatien wächst“ nennt. Demnach würde die HDZ insgesamt 63 Mandate bekommen, die SDP 60 Mandate. In einer anderen Umfrage des Senders Nova TV liegt hingegen die SDP mit 60 gegen 57 Mandate vorne. Wenn man aber noch drei Mandate aus der Diaspora berücksichtigt, die üblicherweise der HDZ zukommen, dann liegen die beiden Lager Kopf an Kopf.

Damit bekommen kleinere Parteien ein zusätzliches Gewicht, denn sie werden letztendlich entscheiden, wer die neue Regierung bildet. Wichtig wird außerdem sein, wer die Stimmen der Minderheiten bekommt. Den Minderheiten stehen im Parlament acht Mandate zu, laut Analytiker neigen sie dazu, sich auf die Seite des Wahlsiegers zu stellen.

Laut Experten dürfte die regierende Koalition ein größeres Koalitionspotenzial als ihr konservativer Erzrivale haben. Einige Kleinparteien, die laut Umfragen in das Parlament einziehen würden, würden nämlich mehr zur SDP als zur HDZ tendieren.

Eine wichtige Rolle scheint die neue Partei Most (Brücke) zu bekommen, die in den Umfragen als drittstärkste Kraft gehandelt wird. Laut der Umfrage von Nova TV würde sie auf Anhieb zwölf Mandate bekommen, was sie zum Königsmacher machen könnte. In der RTL-Umfrage kommt Most auf fünf Mandate. Der Parteichef Bosir Petrov hat bisher eine Koalition mit den beiden Großparteien ausgeschlossen, weil sie seiner Ansicht nach unfähig seien, nötige Reformen durchzuführen.

Laut Politikexperten ist Most, die bisher nur auf Lokalebene tätig war, eine Unbekannte. Die im Jahr 2012 gegründete Plattform unabhängiger Listen, gewann bei den Lokalwahlen 2013 die Mehrheit in der kleinen süddalmatinischen Stadt Metkovic. Der Parteivorsitzende Petrov ist dort Bürgermeister.

Der Partei wird eine eher konservativere Weltansicht zugeschrieben wird, dennoch sieht der Politologe Tihomir Cipek eine größere Wahrscheinlichkeit, dass sie mit der SDP koalieren würde. Darauf schließt er aufgrund unterschiedlicher Kandidaten, die auf der Liste von Most stehen, und der Gefahr, dass sie in einer Koalition mit der HDZ ihre Identität verlieren könnte, wie er gegenüber der Tageszeitung „Vecernji list“ sagte. Den Grund für den Erfolg der neuen Partei sieht Cipek in der Tatsache, dass sie sowohl für linksgerichtete als auch rechtsgerichtete Wähler akzeptabel ist.

Ein Zünglein an der Waage dürften auch andere Kleinparteien sein, die mit dem Einzug ins Parlament rechnen können. Dazu gehört u.a. der jetzige SDP-Koalitionspartner IDS (Istrische Demokratische Versammlung), der bei der Wahl mit einer weiteren regionalen Partei unabhängig von der Regierungskoalition antritt. Die IDS, die drei Mandate bekommen dürfte, schließt eine weitere Zusammenarbeit mit der SDP nicht aus. Auch die neue Partei des Zagreber Bürgermeisters Milan Bandic mit drei Mandaten dürfte ebenfalls näher der Regierungskoalition sein.

Die extrem rechte Partei HDSSB des Kriegsverbrechers Branimir Glavas, die derzeit im Parlament Abgeordnete stellt, kann laut Umfragen mit zwei bis drei Mandaten rechnen. Die SDP hat eine Koalition mit dem umstrittenen Politiker nicht eindeutig ausgeschlossen, dagegen aber ihr Koalitionspartner, die liberale Volkspartei (HNS) unter Führung der Außenministerin Vesna Pusic.

Über die Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament könnten es laut Umfragen außerdem die Grün-Partei ORaH (Nuss) der ehemaligen SDP-Umweltministerin Mirela Holy, das Bündnis „Erfolgreiches Kroatien“ der Partei von Ex-Präsident Ivo Josipovic und Reformisten sowie die Partei „Zivi zid“ (Lebende Mauer) schaffen.