„Söhne & Söhne“ von SIGNA in Hamburg: Der Weltökonomie auf der Spur

Hamburg (APA/dpa) - Mit altmodisch gestylten 42 Darstellern hat der sechsstündige Abend „Söhne & Söhne“ für 70 Zuschauer der dänisch-österre...

Hamburg (APA/dpa) - Mit altmodisch gestylten 42 Darstellern hat der sechsstündige Abend „Söhne & Söhne“ für 70 Zuschauer der dänisch-österreichischen Künstlergruppe SIGNA am Freitag in Hamburg seine Uraufführung erlebt. Auf Veranlassung von Karin Beier, Chefin am Deutschen Schauspielhaus und Fan der Performance-Künstler Signa und Arthur Köstler. Die neue Performance-Installation nimmt die Weltwirtschaft ins Visier.

Ein gigantisches, global agierendes, seine Mitarbeiter mit Haut und Haar vereinnahmendes Wirtschaftsunternehmen hat sich im Hamburger Stadtteil Uhlenhorst niedergelassen - die Firma „Söhne & Söhne“. In muffig-sterilen Räumen einer ehemaligen Gewerbeschule erstreckt sich die Filiale über drei Etagen, mit Räumen für „Resistenz-Schulung“, „Romantische Angelegenheiten“ und „Überwachtes Schlafen“. In einem düsteren Saal residiert der Boss, Oikonomos Walerian Lieblingssohn I. Den bekommt aber kaum einer der hierarchisch gestaffelten Angestellten je zu Gesicht - dafür Besucher mit Schauspielhaus-Ticket für die Performance-Installation „Söhne & Söhne“ des Kollektivs SIGNA. Mit einem Gewinn, den am Ende am besten jeder für sich selbst entscheidet.

In Hamburg, Stadt der Pfeffersäcke, nimmt Regisseurin Köstler nun eine immer undurchsichtiger werdende, die Massen stetig stärker manipulierende Weltwirtschaft ins Visier. Bedrohlich-humorlos und unheimlich zwingt ihr Konzept die Besucher - alle angeblich Neueingestellte -, sich den Firmenmechanismen hinzugeben. „Der Veränderungsprozess in dieser Filiale kann nur mit Ihnen in Gang gesetzt werden“, tönt es gleich am Eingang seitens eines grau gekleideten Herrn.

Weitere graue Männer und Frauen - sogenannte „Söhne“ - mit militärisch strengen Gesichtern und Frisuren sowie Terminzettel, die Platz für Benotungen durch andere bieten, sorgen für Einhaltung des Programms. Jedem Besucher-“Sohn“ wird nahegelegt, durch Fragen etwas über das Unternehmen zu erfahren, das vor allem in Afrika und Asien viele Filialen besitze.

Doch das führt genauso wenig zur Klarheit wie eine Audienz bei Walerian I (Signa Köstler), einem schmächtigen Männchen, das in einem braun gestrichenen Riesenraum mit abgeschabten englischen Möbeln und ausgestopften Wildtieren residiert. Während die Theatergäste von ihren Terminen getrieben vorbei an keifenden Putzfrauen, lethargischen Hausmeister und nackten Männern durch das Treppenhaus hasten, nehmen sich zwischendurch Experten für bislang als privat Betrachtetes ihrer an: So solle man in einem rosa Kitsch-Boudoir samt Hochzeitsbett Liebesgefühle ausleben oder in einer Art Stasi-Trainingsraum seine Widerstandskraft gegen Willkür und Gewalt stärken.

Nach mehr als fünf Stunden wäre es soweit: Im „Versammlungsraum“ darf der „Neuangestellte“ unter sakralen Gesängen dunkler Gestalten und mit Walerian I. als einer Art Jesusfigur auf der Bühne seine alte Identität abgeben und einen Firmennamen annehmen. Dafür müsste man sich auf den Boden legen, den Kopf an den Füßen der Vorderperson. Das mag dann aber doch nicht jeder tun - und wird deshalb unter Beschimpfungen vom Personal des Hauses verwiesen.

So oder so ist das Spiel, das an Gesellschaftsutopien wie Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“ (1932) erinnert, gegen Mitternacht aus. Und mancher Teilnehmer müde, erschöpft und vielleicht ein wenig ratlos: Haben ihn all die oft verblüffenden hautnahen Spielerfahrungen tatsächlich um mehr kritisches Bewusstsein für unser aller ökonomisches Tun bereichert?

(S E R V I C E - www.schauspielhaus.de; http://signa.dk)