General Manager Hörtnagl: „Wir sind kein Ausbildungsverein“
Als General Manager soll das Tiroler Fußball-Urgestein Alfred Hörtnagl dem FC Wacker einen neuen Anstrich verpassen. Der 49-Jährige spricht im TT-Interview über Titel, Talente und seine Rolle als Heilsbringer.
In Ihrer Mission 2020 skizzierten Sie unlängst den Weg des FC Wacker. Wie fiel das Echo aus?
Alfred Hörtnagl: Die Reaktionen waren überwiegend positiv. Wir haben bereits im Vorfeld sehr breit informiert und unsere Partner miteinbezogen. Daraus ist eine gewisse Überzeugung entstanden: Es geht um Meilensteine, die in einen klaren zeitlichen Rahmen gegossen sind. Damit können die Leute umgehen. Wir haben eine Mission und keine Vision, es gibt ein klares Ziel.
Unlängst sprachen Sie vor den Eltern Ihrer Nachwuchsspieler. Was war die Botschaft?
Hörtnagl: Wir wollen die Zeit vom Nachwuchs- bis zum Profispieler so kurz wie möglich halten und so eng wie möglich verzahnen. Ein Projekt in Verbindung mit dem Verband ist in Ausarbeitung, mit dem wir Top-Talente ab 15 Jahren möglichst herausfiltern und entwickeln wollen.
Sie kennen die Situation in Deutschland. Sind uns unsere Nachbarn hier einen Schritt voraus?
Hörtnagl: Es gibt dort Bereiche, die gut sind und auch wieder nicht. Während meiner Tätigkeit in Fürth lag der Fokus stark im Nachwuchsbereich. Wir waren mit dem 1. FC Nürnberg zu dieser Zeit führend.
Ist der FC Wacker Innsbruck denn ein Ausbildungsverein, dessen Ziel es in erster Linie ist, Talente zu entwickeln und in der Folge weiterzugeben?
Hörtnagl: Wir sind kein Ausbildungsverein! Der hat nämlich das Hauptziel, auszubilden und zu verkaufen. Wir wollen auf hohem Niveau ausbilden, um sportlich erfolgreich zu sein. Es gibt Zyklen in der Personalentwicklung, in deren Rahmen wird ständig evaluiert. Personalplanung kann eine starke Kraft sein. Ein Scouting gibt es bei uns im Moment nicht, auf diesem Gebiet wollen wir zuerst in Tirol den Hebel ansetzen, dann darüber hinaus.
Dem FC Wacker wird es bisweilen zum Vorwurf gemacht, dass er Spieler von Umlandvereinen abwirbt.
Hörtnagl: Der gelebte Zugang ist oftmals: „Die nehmen unsere Spieler weg.“ Viele sehen das allerdings anders: Die sind stolz darauf, dass ihre Talente eine tolle Perspektive haben. Die dürfen mit einer Ausbildungsentschädigung und vielleicht sogar einem Aufschlag rechnen, wenn der Spieler den Durchbruch schafft. Und wenn er den nicht schafft, kommt er ganzheitlich ausgebildet in den Amateurfußball zurück. Der Vereinswechsel ist ohnehin eine freiwillige Entscheidung, wir zwingen niemanden. Wir müssen nur ein Konstrukt finden, um für den Spieler den besten Weg zu finden.
Was verstehen Sie unter „ganzheitlich“?
Hörtnagl: Fußballspezifisch, technisch-taktisch, Athletik und Persönlichkeit, das gehört genauso dazu. Die Sportpsychologie soll genauso wöchentlich ein Thema sein wie das herkömmliche Training. Wir stellen das gerade auf und wollen im Jahr 2016 konkret damit starten.
Im Cup-Achtelfinale gegen den LASK standen kurzzeitig elf Tiroler auf dem Platz – lacht da Ihr Herz?
Hörtnagl: Der Nachwuchs ist unsere Kraft, das ist auch so im Leitbild verankert. Wir müssen nur schauen, welche Qualitäten wir wirklich entwickeln können. Am Ende des Tages wird der FC Wacker am Gesamterfolg gemessen. Wenn der passt, ist der Weg mit vielen Tiroler Talenten auch leichter.
Vom Titel in der Sky Go Liga zu sprechen ist Tabu. Wäre der Aufstieg ein Beinbruch?
Hörtnagl: Wir wollen überraschen! Vereine wie der LASK und St. Pölten haben ein wesentlich höheres Budget und sich vor Saisonbeginn als Titelaspiranten deklariert. Wir haben das nicht getan. Wir wollen natürlich jedes Spiel gewinnen, aber ich habe vorgegeben: Mit dem Thema Meisterschaft geht keiner raus, das wäre ein unnötiger Druck. Den lassen wir schön bei den anderen.
Schließen Sie Neuverpflichtungen im Winter aus?
Hörtnagl: Die Mannschaft hat grundsätzlich das Vertrauen verdient. Aber strategisch schließe ich nicht aus, dass man das eine oder andere Thema angeht.
Sie sind ein Stück weit in der Heilsbringerrolle. Wie gehen Sie damit um?
Hörtnagl: Ich spüre ein starkes Vertrauen in meinen Gesprächen. Wenn es hilft, die Gesamtstimmung für den Fußball in Tirol wieder zu verbessern, freut mich das umso mehr.
Spielt die Vergangenheit keine Rolle mehr? Ist es für das Ego wohltuend, wenn Ihnen nach dem Abgang 2005 solche Wertschätzung entgegengebracht wird?
Hörtnagl: Ich bin schon 2002 als Spieler hiergeblieben, als wir in der Regionalliga bei null gestartet sind. Es folgte der Durchmarsch, mein Einstieg ins Management. Im Jahr 2005 hatte ich das Gefühl, dass es in dieser Konstellation in Tirol schwer wird, den nächsten Schritt zu setzen. Daher habe ich dem Verein schweren Herzens den Rücken gekehrt.
Ist die Konstellation jetzt eine andere als damals bei Ihrem Abgang?
Hörtnagl: In zehn Jahren ändert sich viel, auch ich habe mich verändert. Ich durfte bei meinen Manager-Stationen in Wien und Deutschland einiges dazulernen. Jetzt bin ich wieder hier, bekam ein großes Vertrauen und Verantwortungsgebiet übertragen und blicke mit großer Zuversicht nach vorne.
Das Gespräch führte Florian Madl