Frontex-Chef: Zäune leiten Flüchtlingsbewegung nur um

Warschau (APA/dpa) - Fabrice Leggeri, Direktor der EU-Grenzschutzagentur Frontex, will mehr Grenzschützer und setzt auf schnellere Registrie...

Warschau (APA/dpa) - Fabrice Leggeri, Direktor der EU-Grenzschutzagentur Frontex, will mehr Grenzschützer und setzt auf schnellere Registrierung und Identifizierung von Flüchtlingen in sogenannten Hotspots. Auch bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber sieht er seine Behörde künftig stärker gefragt, wie Leggeri im dpa-Interview sagt:

Frage: Hunderttausende Menschen sind in diesem Jahr nach Europa geflohen, und der Andrang lässt nicht nach. Ist Grenzschutz da eine aussichtslose Sache?

Antwort: Die Grenzschützer sehen sich einer Ausnahmekrise gegenüber, vor allem angesichts der ungeheuren Zahl der Flüchtlinge und Migranten, die über die Türkei nach Griechenland kommen. Wir kennen den Trend. Ich denke, das wichtigste ist, die Menschen, die die Grenzen überqueren, werden entdeckt.

Frage: Frontex berichtet von 1,2 Millionen illegalen Grenzübertritten bis Ende Oktober - um wie viele Flüchtlinge geht es hier?

Antwort: Die Zahl der Menschen ist schwer exakt festzustellen. Wir wissen, dass die Menschen Griechenland verlassen, dann ziehen sie durch den Westbalkan und kommen wieder in Ungarn oder Kroatien (an einer EU-Außengrenze) an. Das bedeutetet vermutlich etwa 150.000 Menschen, die die EU-Grenze zweimal illegal überqueren. Deswegen sprechen wir von Grenzübertritten, nicht von Menschen.

Frage: Was bedeutet das für die Arbeit von Frontex?

Antwort: Wir müssen Grenzüberwachung an allen Außengrenzen verstärken, und wir müssen die Kapazitäten in Griechenland steigern. Deshalb ist es so wichtig, so viele Grenzschützer wie möglich auf den griechischen Inseln und auch auf dem Festland zu stationieren. Deswegen habe ich im Oktober den größten Aufruf in der Geschichte von Frontex gestartet und um 775 zusätzliche Grenzschützer gebeten. Bis jetzt haben wir etwa ein Drittel dieser Zahl erhalten, die vor allem an den Brennpunkten in Griechenland eingesetzt werden sollen. Ich habe etwa 100 Grenzschützer speziell für die Landgrenzen angefordert.

Frage: Glauben Sie, dass diese Grenzschützer die Mitgliedsstaaten vom Bau weiterer Grenzzäune abhalten?

Antwort: Ja, denn wir sehen das Ergebnis. Wenn ein Land Zäune baut, kommen die Menschen durch andere Staaten. Wir müssen Grenzschützer zur Überwachung der Landgrenzen einsetzen, so arbeitet die EU an der Schengen-Grenze, nicht durch den Bau von Zäunen. Zäune ändern nur die Migrantenrouten - wir sehen das auf dem Westbalkan.

Frage: Reichen Ihre Kapazitäten aus?

Antwort: Wir müssen sehen, wie weit wir mit den Grenzschützern kommen, die wir erhalten haben. Aber wahrscheinlich müssen wir zusehen, wie wir unsere eigenen Ressourcen steigern können. Wenn wir nicht genügend Grenzschützer für alle Aktivitäten (im Registrierungsprozess) haben, dann müssen wir sehen, ob Frontex nicht zum Beispiel Vertragspartner für das Abnehmen der Fingerabdrücke rekrutieren kann. Dafür braucht man keine speziell ausgebildeten Grenzschützer. Ich würde es aber vorziehen, die Grenzschützer zu erhalten, die ich angefordert habe. Das wäre auch der Geist der Solidarität.

Frage: Nicht jeder, der in Europa einen Asylantrag stellt, wird als Flüchtling anerkannt. Angesichts der Zahl der Ankömmlinge - wird Frontex künftig eine stärkere Rolle bei Abschiebungen spielen? Womöglich mit einer „Frontex Air“?

Antwort: Wir reden hier nicht von Flüchtlingen, sondern von Rückkehrern. Wir organisieren zum Beispiel Flüge nach Pakistan, um Griechenland zu entlasten. Viele illegale Einwanderer kommen aus Pakistan, Bangladesch, Irak. Wir bieten Hilfe bei der Logistik an. Wir entwickeln auch einen neuen Service für die Mitgliedstaaten bei der Identifizierung, so dass man bei den zuständigen Konsularbehörden Reisepapiere ausstellen lassen kann. Es gab schon ein erstes Treffen zwischen Frontex und pakistanischen Behörden. Der (Rück-)Flug kann von Frontex organisiert werden.

In diesem Jahr hatten wir 60 Flüge - nicht nur nach Pakistan, auch in den Kosovo und den Westbalkan. Im vergangenen Jahr gab es 39 Flüge. Wenn wir tausende illegaler Einwanderer abschieben müssen, die alle aus einem Land kommen, scheinen gemeinsame gecharterte Flüge eine angemessene Lösung.

Zur Person: Fabrice Leggeri (47) ist seit Jahresbeginn Direktor der EU-Grenzschutzagentur Frontex.

((Das Gespräch führte Eva Krafczyk/dpa))