Internationale Pressestimmen zum EU-Türkei-Gipfel

Brüssel/Ankara (APA/dpa/AFP) - Internationale Medien kommentieren den EU-Sondergipfel mit der Türkei zur Flüchtlingsfrage am Montag folgende...

Brüssel/Ankara (APA/dpa/AFP) - Internationale Medien kommentieren den EU-Sondergipfel mit der Türkei zur Flüchtlingsfrage am Montag folgendermaßen: „Die Welt“ (Berlin): Der Türkei-Deal der Europäer ist ein ehrenwerter Versuch, die Flüchtlingsströme in die EU zu reduzieren: Die Türkei soll zum Bollwerk gegen die Massenflucht werden. Der türkische Staatspräsident Erdogan ist damit zur wichtigsten Größe in der europäischen Flüchtlingsstrategie geworden. Dabei ist unklar, ob sich die EU auf den Bosporus-Autokraten verlassen kann. Erdogan hat nur ein echtes Ziel: Reisefreiheit in die EU für 78 Millionen Türken. Das dürften ihm die Europäer spätestens 2017 auf dem Silbertablett servieren. Und dann? Es bleiben Fragen: Ist die Türkei in der Lage, Flüchtlinge, die nur eine halbe Seemeile hinter sich bringen müssen, mit rechtsstaatlichen Mitteln aufzuhalten? Und wie reagiert die Türkei, wenn sich vier Millionen anstatt 2,5 Millionen Flüchtlinge im Land befinden? „La Stampa“ (Turin):

„Italien war immer für eine Beitrittsperspektive der Türkei zur Europäischen Union (...) Der Beitrittsprozess war vor allem eingefroren, weil die Türkei ein mehrheitlich muslimisches, wenn auch laizistisches Land war, und deshalb zweifelte die Mehrheit der EU-Mitgliedsländer an ihrer europäischen Berufung. Aber wie soll man heute, ohne seine Glaubwürdigkeit zu verlieren, einer nicht nur islamischen, sondern islamistischen Türkei gegenüber entgegenkommender sein, einer Türkei, in deren Inneren die Meinungs- und Pressefreiheit unterdrückt werden und deren Regionalpolitik von einer schwerwiegenden Zweideutigkeit in der Syrienfrage geprägt ist, von einem De-facto-Einvernehmen gegenüber dem radikalsten Dschihadismus?“

„De Telegraaf“ (Amsterdam):

„Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sprach nach dem Sondergipfel von einem historischen Tag und einem neuen Meilenstein in den Beziehungen mit der EU. Dem dabei vereinbarten „Migrationspakt“ zufolge wird die Türkei helfen, die überwiegend syrischen Flüchtlinge von dem Versuch abzuhalten, die Überfahrt nach Griechenland zu wagen. Der EU blieb kaum etwas anderes übrig, als eine Charmeoffensive in Richtung Ankara. Sie braucht die Türkei dringend, um den Strom von rund 10.000 Flüchtlingen pro Tag einzudämmen. Allerdings bekommt die Türkei die zugesagten drei Milliarden Euro ... nach Angaben des EU-Kommissionsvorsitzenden Jean-Claude Juncker nicht einfach so. Es soll genau darauf geachtet werden, dass dieses Geld dafür verwendet wird, die Lebensbedingungen der 2,3 Millionen syrischen Flüchtlinge auf türkischem Boden so zu verbessern, dass sie mit der Aussicht auf Arbeit und Schulbildung für ihre Kinder von der Überfahrt nach Europa Abstand nehmen.“

„Adevarul“ (Bukarest):

„Die Türkei hat an allen Fronten gesiegt. An absolut allen. (...) Zunächst wird die Türkei Mitte Dezember das Wirtschaftskapitel in den EU-Beitrittsverhandlungen eröffnen - eines der wichtigsten Themen - und im nächsten Jahr sollen Türken Visafreiheit genießen. Allein dies ist ein außerordentlich wichtiges politisches Argument für die interne Glaubwürdigkeit (des türkischen Präsidenten Recep Tayyip) Erdogans. (...)

Dieser neue Energieschub wird aber auch den Machtstatus der Türkei im Nahen Osten aufwerten zum „Vertreter Europas“ in der Region. (...) Die Türkei hat gewonnen. Hat aber auch Europa gewonnen? Die Debatte darüber beginnt erst jetzt und sie wird sehr hitzig werden angesichts der Konsequenzen eines EU-Beitritts der Türkei - das heißt: angesichts der riesigen Veränderungen aller europäischen Institutionen und der Einführung des Islam als offizielle Religion in der EU.“