Innenpolitik

Neues Staatsschutz-Gesetz: Skepis bei Experten und Opposition

Nach mehreren Personaländerungen innerhalb seiner ?Liste? ist Peter Pilz nun aber wieder in den Nationalrat zurückgekehrt.
© APA

Klare Verhältnisse für den Verfassungsschutz und damit auch den Kampf gegen Terrorismus möchte die Regierung mit dem neuen Staatsschutz-Gesetz schaffen. Dafür werden sowohl die Befugnisse der Ermittler gebündelt als auch das Bundesamt für Terrorismus und Verfassungsschutz aufgewertet. Experten und Opposition reagieren mit Skepsis.

Wien – „Die Politik schielt nur auf die nächste ‚Kronen Zeitung‘-Schlagzeile“ – so lautet das Fazit des Kriminalsoziologen Reinhard Kreissl zum neuen Staatsschutzgesetz (Eckpunkte siehe Grafik), auf das sich die Regierung am vergangenen Wochenende geeinigt hat. Der gute alte Dorfgendarm bringt dem Staatsschutz in der Terror-Prävention mehr als Datensammelwut, ist Kreissl überzeugt.

Attentate wie in Paris könne man nicht verhindern, „man kann die Wahrscheinlichkeit reduzieren“, erklärt der Gesetze. Vom neuen Gesetz erwartet sich der Leiter des „Vienna Center for Societal Security (Vicesse)“ keine Revolutionen. Die heftig umstrittenen sogenannten Vertrauenspersonen (V-Leute) etwa seien eines von mehreren Werkzeugen. „Wenn man es sparsam und richtig einsetzt, dann bringt es was.“

© APA

„Die Ermittler ertrinken in Daten“

Dass es aus Sicht der Polizei noch mehr Möglichkeiten zur Datensammlung geben sollte, glaubt der Experte nicht: „Die Ermittler ertrinken in Daten“, sie hätten eher zu viel als zu wenig. Die vom Verfassungsgerichtshof gekippte, aber von einigen wieder verlangte Vorratsdatenspeicherung hält er denn auch für „völligen Unsinn“. Cyber-Orientierung oder bessere Ausstattung für die Cobra sei „alles schön und gut, aber das ist nur ein Teil“.

Die Politik denke zu kurzfristig: „Ein Terror-Anschlag passiert plötzlich, ‚bumsti‘, und dann denkt man, man könnte ‚bumsti‘ eine Lösung finden und das geht halt nicht.“ Man predige seit Jahren, dass sich jeder Euro, der in Prävention gesteckt werde, mehrfach rechne, betonte Kreissl. Und auch im Terrorismus sei die „gute, alte Fußarbeit von Polizisten“ noch immer das wichtigste.

Differenziert beurteilt wurde von Experten die Rechtsschutz-Konstruktion im Staatsschutzgesetz. Die Strafrechtlicherin Susanne Reindl-Krauskopf fand im Ö1-“Mittagsjournal“ die Vorab-Kontrolle „sicher eine gute Idee“, fraglich ist ihrer Ansicht aber, ob damit eine kontinuierliche Führung der geplanten V-Person bewerkstelligt wurde. Im AK Vorrat ortet man im Kompromiss beim Rechtsschutz lediglich „Kosmetik“. Die Rechtsanwaltskammer fand es am Montag notwendig, das Gesetz noch einmal in Begutachtung zu schicken, was von Regierungsseite freilich nicht geplant ist.

FPÖ will abwarten

Skeptisch reagiert auch die Opposition auf das geplante Gesetz. Man müsse abwarten, was tatsächlich schwarz auf weiß im Gesetz stehe, gab sich FPÖ-Sicherheitssprecher Gernot Darmann am Montag abwartend, aber gesprächsbereit. Grundsätzlich enthalte die Einigung der Regierungsparteien anscheinend einige interessante Änderungen, obwohl es sicher noch Gesprächsbedarf gebe, meinte Darmann in einer Aussendung. Man müsse die Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte „genauestens abwägen“, denn sie seien das Herzstück eines demokratischen Rechtsstaates, betonte Darmann. „Wichtig ist, dass der Rechtsschutz zum Schutz der Bürger stark ausgeprägt ist.“ Er sehe noch einige massive Kritikpunkte wie auch unbestimmte Gesetzesbegriffe, erklärte Darmann. Die FPÖ stehe aber für ernsthafte Gespräche zur Verfügung.

Grüne wollen „Giftzähne“ ziehen

Die Regierungsparteien sind zwar nicht darauf angewiesen, hoffen aber auf Oppositionsstimmen für das Gesetz, wie sie am Sonntag sagten. Das wollen auch die Grünen nützen, um nachzuverhandeln – denn der vorliegende Abänderungsantrag „ist eigentlich die alte Regierungsvorlage mit einem neuen Mascherl“, fand der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz dort keine wirklichen Änderungen. Er will den vorliegenden Plänen noch ein paar „Giftzähne“ ziehen.

Keine Ermittlungsbefugnisse für V-Leute ist etwa ein Ziel des Grünen Sicherheitssprechers: „Warum man diese Bagage aus Jihadisten und Neonazis ‚Vertrauensleute‘ nennt, ist mir ein Rätsel“, sagte er zur APA. Auch beklagt er fehlende Kontrolle: Der Rechtsschutzbeauftragte solle vom Parlament ernannt werden, das Hohe Haus außerdem über technische Experten jederzeit überall Nachschau halten können. Ein Dorn im Auge ist Pilz auch eine neue Analysedatenbank, wo auch Kontakte gespeichert würden, über Hintertürchen de facto zeitlich unbegrenzt. Diese Datenbank unterliege nicht der Kontrolle des Rechtsschutzbeauftragten und es gebe keine Regelung über die Weitergabe an ausländische Dienste wie die CIA.

Auch NEOS und Team Stronach verlangen Nachbesserungen

NEOS-Mandatar Niko Alm vermisste in einer Aussendung Gespräche mit allen Parteien. Er befürchtet, dass sich mit dem jetzigen Abänderungsantrag „trotz gradueller Verbesserungen“ nicht viel ändern wird. Prinzipiell stehe man einem derartigen Gesetz unter gewissen Vorbedingungen positiv gegenüber, es gebe aber noch einigen Verhandlungsbedarf.

„Das Nachbessern der Regierung beim Staatsschutzgesetz reicht noch nicht“, findet auch Team Stronach-Klubchef Robert Lugar. Eine wirklich unabhängige Kontrolle sei allein durch den Dreier-Senat nicht gewährleistet. Darüber hinaus wünschte sich Lugar in einer Aussendung eine stärkere Kontrollmöglichkeit durch das Parlament, als von der Regierung vorgesehen. (APA, tt.com)