Supermarkt-Werbung

Gefühlvoll oder geschmacklos? Ein Werbespot spaltet das Netz

Kurz vor Weihnachten sind die Leute für herzerwärmende Geschichten zu haben. Das funktioniert auch in der Werbung. Doch die Supermarktkette Edeka erntet für ihren Weihnachtsspot auch scharfe Kritik.
© Screenshot YouTube

Ganz allein statt supergeil: Ein einsamer Pensionist lockt mit einer Todesanzeige seine Familie zu Weihnachten nach Hause: Die Supermarktkette Edeka sorgt mit einem Werbespot für Gesprächsstoff.

Berlin — Der Anrufbeantworter piept. Die Tochter ist dran: „Wir werden es dieses Jahr Weihnachten wieder nicht schaffen. Wir versuchen es nächstes Jahr, und dann klappt es ganz bestimmt.“ So sitzt der alte Mann zu Weihnachten ganz allein am Esstisch, dazu läuft traurige Musik. Dann Szenen von den erwachsenen Kindern, die in alle Welt verstreut sind. Plötzlich erreicht sie die Nachricht, dass der Vater gestorben ist. Sie reisen deswegen nach Hause — wo der Totgeglaubte mit einer gedeckten Fest-Tafel auf sie wartet. Happy End. Taschentücher raus.

Mit diesem Spot der Agentur Jung von Matt wirbt die deutsche Supermarktkette Edeka gerade im Netz. Sie hat damit geschafft, was ihr schon mit der Kampagne „Supergeil“ gelungen war: Werbung hin oder her, alle Welt redet darüber. Am Samstag auf YouTube hochgeladen, verbuchte das Video mit dem einsamen Opa bis Montagnachmittag rund 5 Millionen Klicks. Die Kommentare reichen von „echt herzzerreißend“ bis „etwas makaber“. Manche Nutzer stellen Familienfotos ins Netz. "Die Kommentare zeigen, dass er viele Menschen bewegt", teilte Edeka dazu mit.

Auch die Diakonie Deutschland, die sich um alte Menschen kümmert, hat das Video entdeckt und geteilt. Sprecherin Ute Burbach-Tasso dachte zuerst „Was hat es mit Edeka zu tun?“, mag aber das Thema. Als sie das Video sah, sei sie gerührt gewesen, obwohl sie gewusst habe, was sie erwarte. „Das trifft die Einsamkeit von vielen alten Menschen ziemlich gut“, findet Burbach-Tasso.

Vor Weihnachten zieht Rührseliges

Zur Adventszeit wird gerne ein bisschen dicker aufgetragen. Es ist die Zeit für anrührende Geschichten. Die britische Supermarktkette Sainsbury‘s hat zum Beispiel einen kinoreifen Animations-Film um die Katze Mog gedreht. Die verwüstet erst ihr Haus und bekommt schließlich doch noch ein Happy End zu Weihnachten. Erfunden wurde die Katze von der Kinderbuchautorin Judith Kerr („Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“). Die Story kann bei YouTube nach etwas mehr als zwei Wochen 18 Millionen Klicks verbuchen.

Ähnlich das britische Kaufhaus John Lewis mit seiner kitschigen Geschichte um ein Mädchen und einen Mann auf dem Mond: 19,7 Millionen Klicks.

Sind solche Erfolge denn kalkulierbar? Nein, heißt es beim Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft. „Das Werbekonzept, das immer funktioniert, gibt es nicht“, sagt Sprecher Maik Luckow. Das Echo auf den Edeka-Spot zeigt für ihn, dass Werbung und gesellschaftliche Themen zusammenpassten. Schon die Debatte sei da ein Erfolg. „Auf jeden Fall ist man im Gespräch.“

Heute bieten sich viel mehr Kanäle für Werbung als in der Vergangenheit — vom Plakat, Print über die klassische Fernsehwerbung bis zu YouTube. Auch dabei gibt es kein Patentrezept. „Hier die richtigen Entscheidungen zu treffen, ist nicht leichter geworden“, sagt Luckow.

Gedreht wurde der Edeka-Spot in Prag und Bangkok, wie Produzent Justin Mundhenke erzählt. Nach der Besetzung sei europaweit gesucht worden. Auch wenn der Spot für den deutschen Markt ist: Die Rolle des Pensionisten spielt ein Brite, Arthur Nightingale. (dpa, tt.com)