Umstieg auf CO2-arme Energieformen leichter als gedacht

Wien (APA) - Fortschritte beim Umstieg auf CO2-arme Energieformen werden über-, aber auch unterschätzt. Zu hoch eingeschätzt worden sei bish...

Wien (APA) - Fortschritte beim Umstieg auf CO2-arme Energieformen werden über-, aber auch unterschätzt. Zu hoch eingeschätzt worden sei bisher das Tempo bei Elektroautos. Unterschätzt werde dagegen immer das Potenzial an Solarstrom, so der aus den USA stammende ETH-Zürich-Professor Anthony Patt in Wien. Kritiker von Neuerungen würden die oft von Geschäftsinteressen getriebene Innovationskraft unterschätzen.

Auch heute gebe es mit dem Sprung zu neuen Technologien die Chance Geld zu verdienen, so wie seinerzeit beim Wechsel vom Segel- zum Dampfschiff, vom Pferd zum Auto oder von der Schreibmaschine zum Rechner, meinte Patt am Montagabend in einem Vortrag beim Trendforum von Oesterreichs Energie, dem Interessenverband der E-Wirtschaft.

Nötig sei eine CO2-freie Stromproduktion und ein Mehr an alternativen Treibstoffen. Ja, Windstrom koste ab 3 Cent je Kilowattstunde und Strom aus Photovoltaik-Paneelen am Haus 3,5 Cent/kWh, „aber auch ein Dach ohne Photovoltaik kostet etwas“, meinte der in Boston geborene Uni-Professor des ETH-Fachbereichs Klimaschutz und Klimaanpassung. Deutschland habe großen Erfolg mit seinem Solarstrom-Wachstum gehabt. China und die USA seien schon dabei, hier nachzuziehen. Eines Tages werde wie heute schon in Texas auch bei uns dadurch Strom tagsüber billiger werden.

Investitionen sollten künftig vor allem in die Erneuerbaren Energien fließen, „je schneller desto besser“. Langsam, aber doch wachse auch die E-Mobilität, wenn auch nicht so rasch wie vor fünf Jahren erhofft. Vorbild sei hier Norwegen. Technisch würden Elektroautos durch Weiterentwicklungen immer besser, was die Reichweite betreffe. Renault etwa werde hier 2016 schon 400 Kilometer anbieten können statt heute 150 km. Auch seien Maßnahmen nötig, um die Rentabilität der Wasserkraft zu heben, denn künftig werde es vor allem mehr Verbrauch an Strom geben.

„Wir müssen in siebzig Jahren auf hundert Prozent der fossilen Energieträger verzichten - das muss unser Ziel sein“, forderte Patt, der sein Faible fürs Skifahren nicht verhehlte. Das werde in den Alpen aber bei einem „Business as usual“ immer weniger möglich sein, denn bei - im schlimmsten Fall drohenden - vier Grad Erwärmung würde die Schneegrenze um 700 bis 800 Meter in die Höhe steigen, so der Experte, der auch jahrelang am IIASA in Laxenburg tätig war.

Dass neue Häuser in der EU schon in fünf Jahren CO2-neutral sein müssten, sei auch kein Problem: „Das geht, weil wir es zwanzig Jahre lang entwickelt haben.“ Das Wichtigste an der Pariser Klimakonferenz seien für ihn die geplanten Finanzierungsmöglichkeiten für Umwelt- und Klimaschutzprogramme in Entwicklungsländern, meinte Patt.

Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) zeigte sich kurz vor seinem Abflug nach Frankreich optimistisch zum Gelingen der Klimakonferenz. „Paris darf nicht, Paris kann gar nicht scheitern“, meinte er. Für ein Scheitern sei Paris zu gut vorverhandelt worden, fast alle Teilnehmerstaaten hätten Treibhausgasausstoßsenkungen zugesagt. Diese Zusagen gelte es nun als konkrete Reduktionsbeiträge festzuschreiben. Da es in Paris auch um die finanzielle Unterstützung von Klimaschutzprogrammen speziell für Entwicklungsländer gehe, könne man die Konferenz auch mit dem Slogan „Raus aus der Kohle, raus mit der Kohle“ auf den Punkt bringen. Gelinge zur Treibhausgasemissionssenkung in Paris ein verbindliches Abkommen, wäre das ein ganz großer Schritt in der Bekämpfung des Klimawandels, auch wenn er nicht ausreiche, um die Erderwärmung bis 2050 unter zwei Grad zu halten, meinte der Umweltminister.

Österreich könnte laut Rupprechter 2050 komplett auf Erneuerbare Energien umgestellt sein - mit Technologien, die schon bekannt seien. Im Stromsektor könne das sogar schon zwanzig Jahre früher, also 2030 der Fall sein; heute sei die Stromerzeugung bei uns schon zu 80 Prozent CO2-frei bzw. erneuerbar. Gemessen am Endenergieverbrauch habe Österreich heuer 33 Prozent Erneuerbaren-Anteil erreicht. Ziel sei, hier bis 2020 „deutlich über 35 Prozent“ zu liegen - „ambitioniert, aber machbar“ - und bis 2030 gemessen am Endenergieverbrauch vielleicht sogar schon bei 50 Prozent.

Der Präsident von Oesterreichs Energie, Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber, nannte den elektrischen Strom einen Teil der Lösung auf dem Weg zur Dekarbonisierung. Nötig sei noch ein Ausbau der Stromerzeugung um 18 bis 20 Terawattstunden (TWh), je ein Drittel davon Wasserkraft („ohne dass wir Nationalparks angreifen“), Windkraft und Photovoltaik. Die Generalsekretärin des Verbandes, Barbara Schmidt, bezeichnete Strom als den „Schlüssel“ zu einer CO2-armen und vielleicht einmal auch CO2-freien Gesellschaft. Österreich sei hier Vorreiter, was den Strom betreffe. Und Schmidt gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die neue Stromstrategie der Branche auch Eingang in die neue Energiestrategie der Regierung findet, die nach der Pariser Klimakonferenz erarbeitet werden soll.

~ WEB http://oesterreichsenergie.at ~ APA089 2015-12-01/09:30