Gespräche und Analysen: Bücher über Gerhard Roth und Konrad Bayer

Wien (APA) - Franz Grillparzer war Beamter, Arthur Schnitzler Arzt und Friederike Mayröcker Lehrerin. Doch alle haben nicht in ihren angesta...

Wien (APA) - Franz Grillparzer war Beamter, Arthur Schnitzler Arzt und Friederike Mayröcker Lehrerin. Doch alle haben nicht in ihren angestammten Berufen, sondern in der Literatur Großes geleistet. Der Autor Janko Ferk, selbst Jurist, hat sich „Dichter und ihre Zivilberufe“ näher angesehen. Auch mit weiteren Neuerscheinungen hat die Sekundärliteratur zur österreichischen Dichtung Zuwachs bekommen.

Ein Gesprächsbuch mit Gerhard Roth hat Hans-Jürgen Heinrichs vorgelegt. Begleitet von faszinierend-rätselhaften Fotografien Roths („Diese Bilder stehen auch stellvertretend für eine Welt, die auf den ersten Blick nicht geordnet und wirr scheint, aber nur, weil wir die Strukturen und Gesetze, die auch hier walten, nicht kennen.“) sprechen der Ethnologen und der Literat auf ihrer „Reise ins Unsagbare“ nicht nur über Roths Zyklen „Die Archive des Schweigens“ und „Orkus“, sondern über Bedingungen und Einflüsse des Schreibens, über Biografisches und Persönliches, über Politik und Poetologie. „Ich schreibe keine politische Literatur, ich bin kein politischer Schriftsteller“, sagt Roth. „Die einzige Ideologie, die für mich gültig ist, ist der Humanismus, selbst wenn ich manches Mal dagegen verstoße.“

Der 1964 aus dem Leben geschiedene Wiener Experimentaldichter Konrad Bayer wird in unregelmäßigen Abständen wiederentdeckt. Derzeit macht etwa Herbert Fritschs „der die mann“-Abend an der Berliner Volksbühne Furore. Der von Thomas Eder und Klaus Kastberger in der Literaturarchiv-Reihe „Profile“ herausgegebene Band „Konrad Bayer: Texte, Bilder, Sounds“ liefert Materialien, Hintergründe und Analysen zu dem Wirken des Mitglieds der legendären Wiener Gruppe und einen Einblick in eine Zeit, in der eine literarische Avantgarde gegen eine erstarrte Gesellschaft antrat. Dabei werden Beiträge eines im Vorjahr im kunsthaus muerz abgehaltenen Symposiums ebenso präsentiert wie zahlreiche interessante Archivbestände faksimiliert.

Den Final-Konzepten von Robert Musils unvollendetem Mammut-Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“ widmet sich der Germanist Walter Fanta, Herausgeber der digitalen kommentierten Musil-Edition, in seinem Buch „Krieg. Wahn. Sex. Liebe“. Bereits der Titel führt die vier ausgemachten „Fluchtpunkte“ an, zwischen denen sich der Autor letztlich nicht entscheiden konnte. An der „Schnitzeljagd für Experten“, wie die „NZZ“ die Suche nach dem Romanfinale nannte, beteiligt sich Fanta mit einer Fülle materialreicher Überlegungen, sucht Fährten im gigantischen „Hypertext“ Musils und entwickelt Verbindungslinien bis zu Thomas Pynchon und Michel Houellebecq.

Mit gleich neun Dichterinnen und Dichtern, vom Beamten Franz Kafka bis zur Journalistin Berta Zuckerkandl, beschäftigt sich Janko Ferk, der schon in seiner Einleitung „beinahe ein Plädoyer für den Dichter mit Zivilberuf“ hält. Es sei seine „unumstößliche Erfahrung“, „dass einem der erste Beruf die Würde für den zweiten verschafft und umgekehrt. Jedenfalls den nötigen Unterhalt, um - auch - für die Literatur leben zu können.“ Warum sich dann der „Bauer Thomas Bernhard“ in diesem Kontext findet, ist unklar - verhielt es sich doch bei ihm genau umgekehrt: Um den Kauf des für seine damaligen Verhältnisse viel zu teuren Vierkanters in Ohlsdorf zu finanzieren, erhielt er 1965 von Suhrkamp-Verleger Joachim Unseld einen großzügigen Vorschuss und ein Darlehen. Bernhard musste also schreiben, um sich seine Traum-Existenz vom „Bauer zu Nathal“ (so der Hofname) zu finanzieren - und nicht umgekehrt.

(S E R V I C E - Hans-Jürgen Heinrichs im Gespräch mit Gerhard Roth: „Reise ins Unsagbare“, Residenz, 192 S., 21,90 Euro, ISBN: 978-3-7017-1651-7; Walter Fanta: „Krieg. Wahn. Sex. Liebe. Das Finale des Romans ‚Der Mann ohne Eigenschaften‘ von Robert Musil“, Drava, 376 S., 29 Euro, ISBN: 978-3-85435-765-0; Janko Ferk: „Bauer Bernhard. Beamter Kafka. Dichter und ihre Zivilberufe“, styria premium, 176 S., 19,90 Euro, ISBN: 978-3-222-13520-0; „Konrad Bayer: Texte, Bilder, Sounds“, herausgegeben von Thomas Eder und Klaus Kastberger, Zsolnay, 320 S., 22,60 Euro, ISBN: 978-3-552-05745-6)