„Kein Stück über Syrien“: aktionstheater verhandelt Flüchtlingsthema

Dornbirn (APA) - „Kein Stück über Syrien“ ist ein Faustschlag auf den Tisch unserer Realität. Die neue Produktion des aktionstheater ensembl...

Dornbirn (APA) - „Kein Stück über Syrien“ ist ein Faustschlag auf den Tisch unserer Realität. Die neue Produktion des aktionstheater ensembles, die am Dienstag am Spielboden in Dornbirn seine Premiere hatte, spielt mit den verschiedenen Ansichten und Meinungen zur Flüchtlingskrise ohne moralischen Zeigefinger oder Handlungsvorgaben. Das Publikum bedankte sich mit begeistertem Schlussapplaus.

Ja, möchte man sagen, so ist das mit den Flüchtlingen - das Leid berührt, lässt kalt, die Auswüchse sind zum Kotzen oder fast zum Lachen, welches einem im Hals stecken bleibt. Martin Gruber lieferte das Konzept zu „Kein Stück über Syrien“, der Text wurde von ihm und dem aktionstheater ensemble erarbeitet. Das Ensemble erhielt dabei sehr viel Gestaltungsraum - und nutzte diesen für eine uneitle, spannende, körperbetonte und zuweilen amüsante Interpretation.

Michaela Bilgeri, Susanne Brandt, Robert Finster und Alexander Meile verzichten auf Rollennamen, sondern werden auch auf der Bühne mit ihren richtigen Vornamen angesprochen. Das verleiht Authentizität, Nähe und erlaubt die Frage, wieviel vom jeweiligen Menschen steckt denn eigentlich in der Figur?

Dazu sind es Figuren, die wir kennen, die wir auch in unserem Bekanntenkreis haben. Susanne, die sich selbst besser fühlt, weil sie doch jemanden kennt, der hilft und immer wieder betont, wie „großartig“ das ist, was ihre Freundin tut. Die vielen jungen Flüchtlinge sieht sie als Chance für ihre Begierde nach Frischfleisch, denn die jungen Männer aus Syrien interessieren sich doch sicher für ältere Frauen. Alexander ist der schüchterne Typ, der noch nicht recht weißt, was er tun soll und der versucht, wissenschaftliche Erklärungen für die Situation zu finden. Dass er selbst einen Bienentanz aufführt, unterstreicht seinen eher naiv-skurrilen Charakter. Und Robert? Er tanzt im wahrsten Sinne des Wortes durch seine eigene Realität. Ihn geht das alles gar nichts an. Er ist konzentriert auf sich, seinen Körper und den Schnitt seiner Zehennägel. Michaela ist die beherzte, naive Helferin, die mitmacht, weil es gerade alle tun - ohne Plan, aus dem Bauch heraus - und findet doch in ihrem Innersten auch einen kleinen Rassisten mit Vorurteilen.

Michaela Bilgeri hinterließ mit ihrer Darstellung den stärksten Eindruck am Premieren-Abend und bewies eindrücklich, warum sie vor wenigen Tagen den heuer erstmals verliehenen „Kulturpreis Vorarlberg“ in der Kategorie darstellende Kunst erhalten hat. Ihr Spiel zieht den Zuschauer von Anfang an in seinen Bann.

Die Bühne bildet einen kargen aber ausreichenden Rahmen für die Erzählung der vier Figuren. Verantwortlich dafür ist Martin Ojster, der jedoch bei der Auswahl der Kostüme für die Darsteller doch noch „eins drauflegt“ - Alexander wird etwa als Biene angedeutet, Robert als Stöckelschuh-tragender Next-Topmodel-Anwärter und Michaela trägt ein zu kurzes, bauchfreies T-Shirt.

Musikalisch begleitet hat den Abend die Band „Panda Pirate“. Die dreiköpfige Formation setzte ein überzeugendes lautstarkes Rufzeichen hinter das gesprochene Wort. Das aktionstheater konnte mit dieser Produktion erneut überzeugen. Der Mut, ein aktuelles und emotional-aufgeheiztes Thema aufzugreifen, wurde am Dienstag vom Publikum mit lang anhaltendem Schlussapplaus belohnt.

(S E R V I C E - „Kein Stück über Syrien“, Uraufführung, Konzept und Regie: Martin Gruber. Weitere Vorstellungen: 3., 4. Und 5. Dezember jeweils 20.30 Uhr, 75 Minuten. Spielboden (Färbergasse 15, 6850 Dornbirn). Karten unter: +43 5572-21933 oder spielboden@spielboden.at)