Indiskretionen, die sich lohnen
Ausschließlich mit Werken aus Tiroler Privatsammlungen bestückt ist ein sehenswerter Überblick über das österreichische Kunstschaffen nach 1945 im Ferdinandeum.
Von Ivona Jelcic
Innsbruck –Der Voyeur hat es hier eher schwer – bis auf ganz wenige Ausnahmen (darunter die mit dem Landesmuseum kooperierende Klocker-Stiftung und der auch als Galerist tätige Sammler Johann Widauer) wollen sämtliche Leihgeber anonym bleiben. Neugierig wäre man natürlich schon: Wer sind Tirols eifrigste Kunstsammler? Welche Schätze hüten sie? Und was gab den Anstoß, zu sammeln? Auch über die Beziehungen zwischen manchen Sammlern und Künstlern ließe sich wohl einiges erzählen.
Doch privat bleibt privat, „Im Licht der Öffentlichkeit“, so der Titel der heute eröffnenden Sonderausstellung im Ferdinandeum, präsentiert sich ausschließlich die Kunst. Zusammengetragen in der ganz gezielten kuratorischen Absicht, Schlüsselwerke des österreichischen Kunstschaffens nach 1945 aus Tiroler Privatbesitz zusammenzubringen. Das ist Peter Weiermair, der vor zwanzig Jahren für die Galerie im Taxispalais schon einmal eine Ausstellung mit „Kunst des 20. Jahrhunderts aus Tiroler Privatbesitz“ realisiert hat, eindrucksvoll gelungen: in einjähriger Recherche- und wohl auch Überzeugungsarbeit, dank seines exzellenten Netzwerks und mit zum Teil detektivischem Engagement: Gerade bei den Klassikern der Moderne „waren es oft abenteuerliche Empfehlungen und Indiskretionen, die mich auf die Spuren der Besitzer der Werke brachten“, schreibt Weiermair, der das Projekt aus gesundheitlichen Gründen nicht bis zur Eröffnung begleiten konnte, im Katalog über die Entstehung der Schau.
Die Schau selbst schließlich belegt – bestückt mit Werken von 89 Künstlern von Kurt Absolon bis Heimo Zobernig – nicht zuletzt auch, dass neben Museen als öffentlich beauftragte Hüter kultureller Schätze auch im Verborgenen so manches blüht. Was für den Kunstbetrieb im Übrigen von eminenter Bedeutung ist: Kaum eine Museumsschau kommt heute mehr ohne wichtige Leihgaben von Privaten aus.
Im Ferdinandeum zeigt sich nun: Aus der Zusammenschau von Werken aus Privatbesitz lässt sich eine beeindruckend dicht und qualitätsvoll bestückte Geschichte der österreichischen Kunst der vergangenen siebzig Jahre erzählen: Sie ist chronologisch sowie nach stilistischen Gruppierungen geordnet. Ausgehend von der Malerei der Nachkriegszeit mit ihrem Hauptvertreter Herbert Boeckl führt der Parcours über die Grafik dieser Zeit, die Skulptur, das österreichische Informel, Wiener Aktionismus, Konzeptkunst, Neue Wilde, bis hin zu Fotografie und Medienkunst ab den 1980er-Jahren oder auch zu wichtigen Tiroler Einzelpositionen: Walter Pichlers „Passage“ ist eine seiner letzten realisierten Arbeiten. In der unmittelbaren Gegenwart angelangt, trifft man ebenfalls auf das Who’s who österreichischer Kunst, zutage tritt einmal mehr außerdem Weiermairs spezielles Interesse am Medium Zeichnung.
Die Ausstellungsarchitekten haben mit farblich unterschiedlich gestalteten Wandeinbauten neue Räume und damit auch eine auf die Herkunft der Werke anspielende „Intimsphäre“ geschaffen. Die ist es ja schließlich auch, die den besonderen Reiz der Schau ausmacht: Wird man doch zahlreicher Werke ansichtig, die sonst nicht öffentlich gezeigt werden.
Zwischen den Zeilen dringen schließlich auch Aspekte des Sammelns durch: Oftmals sind es frühe Arbeiten gerade aufstrebender Künstler, die in Privatbesitz gelangen, „Neue Wilde“ wie Erwin Bohatsch zeigen sich da noch eher im Figürlichen verhaftet, Gerwald Rockenschaub operiert noch nicht am Raum, sondern am reduzierten Zeichen. Von Maria Lassnig ist mit „Ich als Gärtnerin“ (1985) ein wichtiges Werk am Übergang zu ihren späteren Körperbewusstseinsbildern zu sehen.
Zwar bleibt der allergrößte Teil der Sammler anonym, nicht aber die Verkaufswege. Woraus sich jedenfalls erahnen lässt, dass auch die Arbeit der hiesigen Galeristen wesentlich zu manch einer Tiroler Sammlungsgenese beigetragen haben dürfte. Bis 3. April 2016.