Bezirk Landeck

“Gewalthaber“: Historischer Titel mit aktuellen Aufgaben

Alfons Falch, Elmar Monz und Josef Lanzinger (v. l.) gratulierten Paul Ruetz (2. v. l.).
© Schranz

25 Jahre lang war Paul Ruetz aus Tobadill „Gewalthaber“ der zehn Zweidrittelgerichtsgemeinden. Kürzlich erfolgte die Amtsübergabe.

Von Paul Schranz

Tobadill –Es ist ein pompöser Titel, der so gar nicht in die Gegenwart zu passen scheint. Der Begriff des „Gewalthabers“ ist mehr als 100 Jahre alt und stammt aus einer Zeit, in der Tirol rein bäuerlich strukturiert und alles streng geregelt war. Er bezeichnet seit 1881 den für sämtliche almwirtschaftliche Angelegenheiten zuständigen Verantwortlichen der Zweidrittelgerichtsalmen, die von Galtvieh bestoßen werden.

Die geschichtlichen Wurzeln des Zweidrittelgerichtes reichen bis ins 13. Jahrhundert zurück, als die Gerichte regional strukturiert wurden. Der größte Bereich im heutigen Bezirk Landeck umfasste das Stanzertal bis Kaisers und Teile von Kappl, See und Langesthei und hatte seinen Sitz in Perfuchs. Da die „Ding­stätte“ Perfuchs die doppelte Größe im Vergleich zu Zams und Fließ hatte, wurde sie als „Zweidrittelgericht“ bezeichnet. Der Name ist bis heute geblieben.

„Der Gewalthaber beruft die Bürgermeister zur Almrechnungsversammlung ein, wirbt das Almpersonal an, nimmt die Anmeldungen des aufzutreibenden Viehs entgegen, vertritt die Gemeinschaft nach außen in rechtlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten, hat die Aufsicht über das Gemeinschaftsgut, seine Erhaltung und Grenzen und es steht ihm das Recht zu, unaufschiebbare Verfügungen unter eigener Verantwortung zu treffen“, schrieb der Nauderer Alois Moritz 1956 in seinem Buch „Almwirtschaft im Stanzertal“.

In den letzten 25 Jahren war das die Aufgabe von Paul Ruetz. Kürzlich erfolgte die Amtsübergabe an Alfons Falch aus Schnann und dessen Stellvertreter Andreas Matt aus Flirsch. Die Bürgermeister Franz Kathrein aus Tobadill und Helmut Mall aus St. Anton dankten dem scheidenden Gewalthaber und überreichten eine Ehrenurkunde und ein Bild des Südtiroler Künstlers Ernst Müller. Ruetz hatte das Amt 1990 von Franz Seeberger übernommen.

Das Zweidrittelgericht verfügt im Moostal und Verwall über eine Grundfläche von rund 4000 Hektar samt 16 Hirtenhütten und 12 Jagden. Heuer wurden auf diesen Flächen 303 Stück Galtvieh, 103 Hochlandrinder, 67 Pferde, 770 Schafe, 55 Ziegen und 169 Mutterkühe mit ihren Kälbern aufgetrieben.

Da auch Kraftwerksbetreiber (EWA, Illwerke) und Skigebiete (Arlberger Bergbahnen) das Gebiet tangieren, muss der Gewalthaber zahlreiche Gespräche und Verhandlungen bezüglich Grundabtretungen, Wegbauten, Entschädigungszahlungen, Dienstbarkeiten und Pistenerrichtungen führen. Im Lawinenwinter 1999 gab es auch im Zweidrittelgericht zahlreiche Schäden. So musste u. a. die „Brannteweinhütte“ im Verwall neu errichtet werden.

Seitens der Landwirtschaftskammer gratulierte Direktor Richard Norz. Josef Lanzinger vom Tiroler Almwirtschaftsverein überreichte Paul Ruetz das „Silberne Ehrenzeichen“.

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