Cameron hat es geschafft: Briten kämpfen auch in Syrien gegen den IS
London (dpa) - Deutlicher hätte David Cameron es sich kaum wünschen können, und vor dem Parlament in London buhten die Demonstranten. Die Ab...
London (dpa) - Deutlicher hätte David Cameron es sich kaum wünschen können, und vor dem Parlament in London buhten die Demonstranten. Die Abgeordneten des Unterhauses, die der konservative Premier und seine Minister seit Monaten in Richtung Luftangriffe auf den IS auch in Syrien gedrängt hatten, haben eindeutig „Yes“ gesagt - mehr als 60 Stimmen von Labour inklusive, so eindringlich Oppositionschef Jeremy Corbyn auch warnte.
Jetzt dürfte alles ganz schnell gehen. Im Krieg mit dem IS sind die Briten längst, bisher aber nur im Irak. Wenn der Feind die Landesgrenze nicht respektiere, dann solle man das auch nicht tun, lautete eines von Camerons Argumenten. Noch am Donnerstag werden wohl die ersten britischen Bomben auf syrischen Boden fallen.
Doch viele bewegt die Frage: Schlagen die Terroristen jetzt auch in London zu? Und: Was kommt nach den Bomben, hat die Regierung eine Strategie für das Pulverfass Syrien?
DARUM GEHT ES: Bisher bombardierte die Royal Air Force ausschließlich IS-Stellungen im Irak. 2013 verweigerte das Parlament Cameron die Zustimmung zu Angriffen in Syrien - damals ging es allerdings noch um Machthaber Bashar al-Assad. Eine zweite Blamage konnte Cameron am Mittwochabend vermeiden. Zwar hatte er in den eigenen konservativen Reihen wieder eine Hand voll Abweichler, doch aus anderen Fraktionen gab es mehr als ausreichend Unterstützung.
DRA BEI LABOUR: Der neue Parteichef Corbyn ist als überzeugter Pazifist strikt gegen Luftangriffe. Doch in seinen Reihen gab es eine regelrechte Revolte gegen einen Fraktionszwang. Daraufhin ließ er die einzelnen Abgeordneten frei entscheiden, was ihm wiederum Kriegsgegner an der Basis übel nehmen. Für den Parteichef, der noch keine 100 Tage im Amt ist, ist es eine bittere Niederlage.
PRO: Cameron sagt, Großbritannien könne nicht tatenlos zusehen, wenn die USA und Frankreich in Syrien eingreifen. Der IS sei eine Bedrohung auch für Großbritannien. London dürfe seine Verteidigung nicht „outsourcen“. Und: Die Luftangriffe auf IS-Stellungen im Irak zeigten Erfolge, sie hätten die Terroristen dort bereits geschwächt. Zudem verfüge die Royal Air Force über besondere Präzisionswaffen, die etwa gezielt einzelne Räume in Gebäuden in der IS-Hochburg Al-Raqqa treffen könnten. Im Visier der Extremisten stehe London ohnehin.
KONTRA: Gegner betonen, Luftangriffe würden das Leid der Menschen nur vergrößern. Die IS-Kämpfer versteckten sich in Städten, daher werde es besonders viele zivile Opfer geben - dies wiederum treibe dem IS weitere Sympathisanten in die Arme. Außerdem lasse sich der IS mit Bomben allein nicht besiegen. Die Regierung habe keinen längerfristigen politischen Plan für das Bürgerkriegsland. Und: Luftangriffe würden das Risiko von Terrorattacken auf Großbritannien nur vergrößern.
WAS IST MIT BODENTRUPPEN?: Britische Bodentruppen in Syrien lehnt Cameron strikt ab. Doch Experten betonen: Ohne „Boots on the ground“, wörtlich: Stiefel auf dem Boden, ist der Terrormiliz nicht beizukommen. Cameron ist im Kern der Meinung, den Job sollten syrische Kämpfer übernehmen, angeblich gebe es 70 000 politisch-moderate Kämpfer - doch Kritiker haben da schwere Zweifel.
UMFASSENDE SYRIEN-STRATEGIE?: Cameron behauptet, er habe einen Plan zur langfristigen Beilegung des jahrelangen Bürgerkrieges. Doch der ist höchst vage, monieren Kritiker. Die ungelösten Kreuzfragen: Was ist mit Russland? Und was wird aus Assad? Er muss weg, sagt Cameron - wann und wie, sagt er nicht.
BLICK ZURÜCK: In der Vergangenheit hatten Bombardierungen und Invasionen durchaus nicht immer den erwünschten Erfolg. Im Gegenteil. In Afghanistan sind die Taliban-Rebellen unbesiegt. In Libyen herrschen Chaos und Anarchie. Und im Irak haben Bomben und Krieg zeitweise zu Chaos geführt - das zerrissene Land wurde zur Wiege des IS.
(Aktualisierter Hintergrund APA353 vom 2. Dezember)