Genau so erzählt man Geschichten
Die Neuverfilmung von „Heidi“ ist eine Antithese zu allem, was Kinder angeblich mögen. Und gerade deshalb ein Geschenk.
Von Alexandra Plank
Innsbruck –„Heidi“, die Geschichte von dem Mädchen aus den Schweizer Bergen, ist 135 Jahre alt. Oft wurde sie auch auf Film gebannt. Die Generation der heute 40-Jährigen ist mit der japanischen Zeichentrickserie groß geworden und ebenfalls groß war die Empörung, als Heidi plötzlich in 3D und rundum verändert über den Bildschirm flimmerte.
Während Magazine dem Phänomen Heidi nachspüren, hat sich Alain Gsponer an eine Neuverfilmung gewagt. Und er hat bei der Besetzung aus dem Vollen geschöpft: Kein Geringerer als Schauspielstar Bruno Ganz verkörpert den Almöhi und es braucht wohl ein solches Kaliber, um gegen Kinder und Ziegen anzuspielen.
„Heidi“ (Anuk Steffen) macht es dem Grandseigneur des deutschen Theaters auch nicht gerade leicht. Steffen ist ein ähnlicher Typ wie einst Radost Bokel, die als „Momo“ die Herzen im Sturm eroberte. Steffen hat eine Spielfreude und Unverkrampftheit, wie sie nur selten bei Kinderdarstellern zu sehen ist. Im Grunde macht die bis in die kleinste Rolle durchdachte Besetzung einen nicht geringen Teil des Charmes dieser Neuverfilmung aus, neben Ganz und Steffen sind noch Peter Lohmeyer, Markus Hering und Hannelore Hoger zu sehen.
Entscheidend ist auch die Regie: Während mittlerweile gepredigt wird, dass Filme für Kinder rasch geschnitten und actionreich sein müssen, meist kommt auch noch eine „Sexy Hexi“ vor (für die Väter, nehm’ ich mal an) erzählt „Heidi“ einfach eine Geschichte.
Aber nicht platt, sondern sehr trickreich. Der Almöhi hat überhaupt keine Freude, als das Mädchen von seiner Tante zu ihm gebracht wird. Heidi fällt sofort auf, dass der alte Griesgram in seiner Almhütte einen Tisch mit nur einem Stuhl hat. Die Zuneigung, die der Alte dann zu seiner Enkelin entwickelt, wird wieder durch einen Stuhl ausgedrückt. Plötzlich steht ein zweiter Stuhl in der Almhütte und die Achtjährige neben mir flüstert ergriffen: „Jetzt hat er sie lieb. Jetzt darf sie bleiben.“
Es ist die besondere Qualität von Ganz, dass das kleinste Heben einer Augenbraue eine ganze Geschichte zu erzählen vermag. Interessant ist bei dieser Verfilmung auch, dass der Fokus auf Heidi liegt. Die Heilung von Klara wird im Schnelldurchlauf erzählt. Der berührendste Moment ist indes, wenn Heidi von Frankfurt zurückkehrt, sich beim Aufstieg schon ihrer schönen Kleider entledigt und dann nur im Unterhemd ihrem Großvater in die Arme springt. Da kleben dann die Kinder vor Spannung an den Lehnen der Vordersitze und die Erwachsenen räuspern sich gerührt. Fazit: Diese Neuverfilmung ist ein Geschenk für die ganze Familie und das schon vor Weihnachten.
Selbst die Buben (6 und 7 Jahre), die erst vollmundig erklärt hatten, die Heidi sei baby und überhaupt ein Mädchenkram, ließen sich zu einem „War eh okay“ hinreißen. Anzunehmen, dass das nicht die letzte „Heidi“-Verfilmung war. Aber die zwölfte Umsetzung des Stoffes legt die Latte hoch.