Verschärfung nationalistischer Übergriffe in Rumänien
Bukarest (APA) - Im Zuge der Feierlichkeiten zum rumänischen Nationalfeiertag am 1. Dezember wurde heuer ein versuchter Bombenanschlag verei...
Bukarest (APA) - Im Zuge der Feierlichkeiten zum rumänischen Nationalfeiertag am 1. Dezember wurde heuer ein versuchter Bombenanschlag vereitelt. Auch wenn es sich um einen vereinzelten Zwischenfall von geringer politischer Tragweite handelt, ist die offenbar nationalistisch motivierte Tat der negative Höhepunkt einer Reihe von Ausschreitungen, die auf eine gewisse Verschärfung extremistischer Diskurse in Rumänien hinweisen.
Als mutmaßlicher Attentäter wurde Istvan Beke, ein 40-jähriger Rumäne ungarischer Herkunft, festgenommen. Er beabsichtigte laut Angaben der Staatsanwaltschaft (DIICOT) und des Informationsdiensts (SRI), bei der Parade in Targu Secuiesc, einer zu fast 90 Prozent von Rumänienungarn bewohnten Stadt in Siebenbürgen, einen improvisierten Sprengkörper auszulösen. Aus Abhörprotokollen und Hausdurchsuchungen ging hervor, dass er den versuchten Anschlag länger geplant und als „Übung“ für größere Angriffe bezeichnet hat.
Beke gehört zur rechtsextremen Organisation „Jugendbewegung der 64 Komitate“ (Hatvannégy Vármegye Ifújsági Mozgalom, HVIM), die sich zum Ziel gesetzt hat, die In- und Auslandsungarn miteinander zu vereinen und das ehemalige „Großungarn“, auf das die „64 Komitate“ anspielen, wiederherzustellen. Zu „Großungarn“ gehört nach Auffassung der Extremisten auch Siebenbürgen, das 1918, nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, infolge eines Volksentscheids und des Friedensvertrags von Trianon (1920) von Österreich-Ungarn losgelöst und mit Rumänien vereinigt wurde.
Die HVIM bezeichnete das Vorgehen gegen Beke als „absurde Diffamierung“. Unter dem Motto „Je suis Beke“ demonstrierten mehrere Hundert Menschen am Mittwoch in Targu Secuiesc gegen Bekes Verhaftung.
In Rumänien leben etwa 1,2 Millionen Ungarn, die meisten von ihnen im mittelsiebenbürgischen „Szeklerland“ - den Landeskreisen Harghita, Covasna und einem Teil von Mures -, wo sie die Bevölkerungsmehrheit stellen. Hier häuften sich in den letzten Jahren ethnisch gefärbte Zwischenfälle auf beiden Seiten. Am Mittwoch wurde beispielsweise Petras Janos Laszlo, der Sänger der ungarischen Rockgruppe Karpatia, wegen „ultranationalistischen und antirumänischen“ Botschaften bei einem Konzertauftritt in Rumänien angeklagt.
Auch der ungarischstämmige Rumäne Csibi Barna wurde wegen Verbreitung fremdenfeindlicher Symbole angeklagt - er hatte unter anderem T-Shirts mit Großungarn-Karten verkauft. Barna steht bereits wegen der „öffentlichen Hängung“ einer Puppe, die den rumänischen Revolutionär Avram Iancu verkörpern sollte, vor Gericht. 2013 war wiederum wochenlang der Fall einer rumänischen Schülerin aus Covasna in den Schlagzeilen. Die Jugendliche erhielt verbale Angriffe bis hin zu Morddrohungen, weil sie zum ungarischen Nationalfeiertag ein Haarband in den Farben der rumänischen Nationalflagge trug, das ihr die Lehrerin in der Schule wegnahm.
Historisch gesehen beschränken sich die Ausschreitungen keineswegs auf Einzeltaten einiger Extremisten. Berüchtigt - und immer noch weitgehend ungeklärt - sind die gewalttätigen Ausschreitungen zwischen Rumänen und Rumänienungarn vom März 1990 in Targu Mures, bei denen fünf Menschen getötet und 300 verletzt wurden. Doch inzwischen fristen ultranationalistische Phänomene höchstens eine marginale Existenz: Im Jahr 2000 war der inzwischen verstorbene Vorsitzende der „Großrumänienpartei“ (PRM), Corneliu Vadim Tudor, noch zweitgereihter Präsidentschaftskandidat und konnte praktisch ungehindert anti-ungarische Propaganda verbreiten; Gheorghe Funar, der bis 2004 amtierende PRM-Bürgermeister der zweitgrößten rumänischen Stadt Cluj Napoca, ließ unter anderem Bänke und Mistkübel in den Farben der rumänischen Trikolore streichen - heute ist die PRM keine parlamentarische Partei mehr.
Für Anspannung im interethnischen Verhältnis sorgt derzeit die immer lauter werdende Forderung nach Lokalautonomie für das Szeklerland, die von der rumänischen Seite immer wieder mit dem Argument abgewiesen wird, dass die Verfassung einen „nationalen Einheitsstaat“ festschreibe. Während die traditionsreiche Demokratische Union der Ungarn in Rumänien (UDMR) das Autonomiedesiderat mit moderaten Mitteln einfordert, sind die Botschaften der von der UDMR abgespaltenen „Volkspartei der Siebenbürgischen Ungarn“ (PPMA) unter dem calvinistischen Bischof und „Revolutionspastor“ Laszlo Tökes deutlich radikaler - so forderte Tökes beispielsweise für das Szeklerland ein „Protektorat“ durch Ungarn.
Als politische Lappalie, verbal jedoch verhängnisvollen diplomatischen Schlagabtausch ist der sogenannte „Flaggenstreit“ von 2013 zu bezeichnen, als eine rumänische Lokalbehörde die Verwendung der Szeklerfahne als Regionalsymbol zu verhindern versuchte und diese anschließend in ganz Ungarn auf zahlreichen öffentlichen Gebäuden, einschließlich des Parlamentsgebäudes in Budapest, gehisst wurde. Nach mehreren Gerichtsfällen ist es im Szeklerland nun erlaubt, entsprechende Symbole zu verwenden.
Große mediale Aufregung verursachte auch die Erleichterung der Gewährung der ungarischen Staatsbürgerschaft an Rumänienungarn ab 2011, von der rund 300.000 rumänische Staatsbürger Gebrauch machten, oder die von der rumänischen Regierung geplante Verwaltungsreform, bei der das Szeklerland zwei verschiedenen Regionen zugeteilt werden sollte.
Da der ungarische Premier Viktor Orban am Donnerstag seine „Besorgnis“ über die Ermittlungen gegen „ungarische Politiker“ in Siebenbürgen äußerte und eine angebliche „Kehrtwende“ bezüglich der Minderheitenrechte in Rumänien, insbesondere bezüglich des Unterrichts in ungarischer Sprache, beanstandete, sind auch diesmal Verstimmungen auf diplomatischer Ebene zu erwarten.