Verglüht der sozialistische Stern? - Parlamentswahl in Venezuela

Caracas (APA/dpa) - Nicolas Maduro ist gut drauf. Gekleidet in eine Trainingsjacke in den Landesfarben gelb, blau und rot, peitscht Venezuel...

Caracas (APA/dpa) - Nicolas Maduro ist gut drauf. Gekleidet in eine Trainingsjacke in den Landesfarben gelb, blau und rot, peitscht Venezuelas Präsident dann den Hunderttausenden Menschen auf der Avenida Bolivar ein: Kämpfen, das von seinem 2013 verstorbenen Vorgänger Hugo Chavez initiierte sozialistische Modell Venezuelas verteidigen.

An seiner demokratischen Gesinnung gibt es international Zweifel. Und auch im Land mit den größten Ölreserven weiß keiner, was nach der Parlamentswahl am Sonntag passieren kann und wird. Der frühere Busfahrer zählt die Erfolge der Sozialisten auf: Bildung, mehr Wohnungen, Essen für alle. Und die „modernste Busfabrik in ganz Lateinamerika“. Busse mit Klimaanlagen, Videogeräten und Überwachungskameras. „Und für wen? Für das Volk!“ Die Menschen in den roten Hemden jubeln dem 53 Jahre alten Maduro begeistert zu.

Er konnte bisher nicht aus dem Schatten von Chavez heraustreten und ist auch intern nicht unumstritten. Auf einem Wagen steht bei der Abschlusskundgebung in Caracas: „Chavez in die Regierung.“

Erstmals seit 16 Jahren kann es laut Umfragen zum Machtwechsel im Parlament kommen. Maduro wäre gezwungen, Kompromisse einzugehen, das Experiment käme an sein Ende.

Wirtschaftlich kriselt es gehörig in Venezuela, vor allem durch die galoppierende Inflation. Vor Banken und Supermärkten gibt es lange Schlangen - auf dem Schwarzmarkt gibt es für einen Dollar 800 Bolivar, die Menschen können meist nur 3000 Bolivar abheben. Da der 100-Bolivar-Schein die größte Note ist, sind das für 3,75 Dollar 30 Scheine. Und in den Supermärkten sind Grundnahrungsmittel wie Reis und Hühnerfleisch knapp, die größte Sorge ist aber die enorme Unsicherheit.

Aber hat die konservative Opposition ein Gegenrezept? Zumindest ist sie mit dem Bündnis „Tisch der demokratischen Einheit“ (Mesa de Unidad Democratica) geeint wie lange nicht mehr. Bei einem Sieg wird man versuchen, 2016 ein Referendum zur Abwahl Maduros zu starten. Die bekanntesten Personen sind Leopoldo Lopez und Henrique Capriles. Lopez wurde unter fragwürdigen Umständen im September zu fast 14 Jahren Haft verurteilt und ist im Gefängnis.

Nach Demonstrationen, zu denen er aufgerufen hatte, war es zu Gewaltausbrüchen gekommen. Seine Ehefrau Lilian Tintori kämpft für ihn, zudem hält sie Kontakt zu Argentiniens neuem Präsidenten Mauricio Macri, um international den Druck zu erhöhen. Der Sieg des Konservativen wird von der Opposition als Signal gewendet, dass die Ära linker Politik sich in Südamerika dem Ende zuneigt.

Capriles spricht von einer „Zeitbombe“ - er fürchtet bei einem Machtverlust der Sozialisten einen Staatsstreich Maduros, um am Parlament vorbei seine Politik fortzusetzen. Das Klima ist hochnervös - verschärft durch den Mord an dem Oppositionspolitiker Luis Manuel Diaz von der Accion Democratica bei einer Wahlkampfveranstaltung. Die Regierung weist jede Verwicklung zurück.

Den Sozialisten zupasskommen könnte am Ende die Einteilung der Wahlkreise und das Wahlsystem. Wahlbeobachter sind nicht zugelassen, nur Wahlbegleiter der Union Südamerikanischer Nationen, die im Voraus die 40.000 Wahlmaschinen überprüften. Das birgt die Gefahr, dass die Opposition bei einer Niederlage auf die Straße gehen wird - und es zu schweren Ausschreitungen kommen kann.

( 1354-15, 88 x 136 mm)