Zehn Birr für einen Esel - „Menschen für Menschen“ startete Nothilfe

Addis Abeba/Wien (APA) - Ihre letzten zehn Birr, umgerechnet knapp 50 Cent, hat die Äthiopierin für die Miete eines Transport-Esels ausgegeb...

Addis Abeba/Wien (APA) - Ihre letzten zehn Birr, umgerechnet knapp 50 Cent, hat die Äthiopierin für die Miete eines Transport-Esels ausgegeben, als dieser Tage erstmals ein Lastwagen mit der Aufschrift „Menschen für Menschen“ ins Dorf kam und Nahrungsmittel brachte. Diese sichern den Menschen in der Gemeinde das Überleben für zunächst einen Monat.

Den Esel brauchte die Frau, weil es galt, das Getreide, das Öl und die Hülsenfrüchte in ihre mehrere Kilometer entfernte Hütte zu transportieren. Ihren eigenen Esel hatte die Äthiopierin ebenso wie ihre Ziegen schon längst verkaufen müssen - zu einem schlechten Preis. Sie benötigte das Geld dringend für Lebensmittel.

Teile der äthiopischen Provinz Bale südöstlich der Hauptstadt Addis Abeba gehören zu den Regionen des ostafrikanischen Landes, die laut UNO von der möglicherweise schlimmsten Dürre seit 30 Jahren betroffen sind. Drei Regenzeiten sind in Folge entweder ganz oder teilweise ausgefallen, was dazu führte, dass die von Kleinlandwirtschaft lebenden Menschen ihre Existenzgrundlage verloren haben. Aktuell sind mehr als acht Millionen Äthiopier auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Zu befürchten ist, dass ihre Zahl auf 15 Millionen steigt.

Aufgrund dieser Krisensituation leistet „Menschen für Menschen“ (MfM) für 28.000 Menschen für zunächst vier Monate Nothilfe. Jeder Mensch erhält pro Monat 15 Kilo Getreide, 0,45 Kilo Speiseöl und eineinhalb Kilo Hülsenfrüchte. Dieses Standardpaket orientiert sich an Empfehlungen des Welternährungsprogramm der UNO. Kinder sowie schwangere oder stillende Frauen bekommen darüber hinaus das Nahrungsergänzungsmittel Famix.

„Die äthiopische Regierung hatte zunächst alles versucht, um die Nahrungsmittelkrise aus eigener Kraft zu bewältigen. Nach der Verschärfung der Situation hat sie im August um Unterstützung gebeten“, sagte der geschäftsführende Vorstand von MfM Österreich, Rupert Weber. „Die Kosten für die Nahrungsmittelhilfe und die Logistik belaufen sich aktuell auf 1,2 Millionen Euro. Wir haben die Hälfte davon aus Rücklagen vorfinanziert.“ Nun hofft man auf Spenden. Schon für 12,50 Euro kann ein Mensch einen Monat lang unterstützt werden.

Die Möglichkeiten der Bewohner der Provinz Bale, sich in der Krisensituation selbst zu helfen, sind marginal. In der Gemeinde Makala hat die Regierung 6.000 der 6.024 Einwohner als hilfsbedürftig registriert. Die restlichen 24 sind ins Hochland gezogen, weil sie dort Verwandte haben. Amin Omar geht noch beziehungsweise wieder in die Schule. Er ist in der zehnten Klasse und möchte heuer die Abschlussprüfung machen. Der 20 Jahre alte Sohn eines Kleinbauern war in Saudiarabien und hat versucht, als Hilfsarbeiter Geld zu verdienen. „Ich war illegal dort. Es hat nicht lang gedauert und sie haben mich erwischt und zurückgeschickt“, erzählte der Bursch.

Viele Kleinbauern versuchen, als Tagelöhner Geld zu verdienen. Die Möglichkeiten sind mangels Nachfrage ebenso beschränkt wie das Einkommen, das nicht viel höher ist als die Eselmiete von zehn Birr. „Einmal hat mein Mann Arbeit, dann wieder drei Tage nicht“, erzählte Aisha Ahmed, Mutter von zehn Kindern, die in der Gemeinde Shanaka zu Hause ist.

In Shanaka wohnen Menschen, die aus dem Region Harar im Osten Äthiopiens stammen und im Zuge eines Umsiedlungsprogramms der Regierung erst kurz nach der Jahrtausendwende dorthin gekommen sind. Solche Umsiedlungen erfolgen auf freiwilliger Basis, weil das ohnehin knappe Land zunehmend unfruchtbar wird. „In den ersten Jahren ist es uns gut gegangen. Der Boden ist fruchtbar“, erzählte Sheik Kemal. „Jetzt ist die Lage schwierig. Wir haben ja in der Nähe keine Verwandten, die wir um Hilfe bitten könnten. Aber vielleicht wissen wir als Zugezogene nur nicht, wie man mit so einer Dürre umgeht.“

Nicht allein die 3.600 Menschen, die in der Gemeinde gemeldet und von der Regierung als hilfsbedürftig eingestuft wurden, leben in Shanaka, sondern doppelt so viele. „Das sind Menschen aus Harar, die ihren umgesiedelten Verwandten gefolgt sind. Sie waren in den offiziellen Zahlen der Behörden nicht enthalten, deshalb haben wir von ihnen nichts gewusst“, sagte Bahritu Seyoum, zuständig für die Organisation des Programms bei Mfm in Äthiopien.

Sie macht auf ein weiteres Problem aufmerksam. „Die nächste große Herausforderung wird das Thema Wasser sein. Die Frauen in Shanaka sind sechs Stunden unterwegs, wenn sie Wasser holen - drei Stunden in jede Richtung. Früher sind die Kanister von Eseln getragen worden. Seit die Leute ihre Tiere verkaufen mussten, haben Frauen die Funktion der Lastesel übernommen“, erklärte Bahritu Seyoum.

Ein Leck in einer Wasserleitung in mehreren Kilometern Entfernung von Shanaka hat dort einen Tümpel und einen neuen „Geschäftszweig“ entstehen lassen: eine Art Wasserhandel. Menschen, die noch ein Pferd besitzen, bringen Wasser ins Dorf und bieten es zum - horrenden - Preis von drei bis vier Birr pro Liter an.

(S E R V I C E: Weitere Informationen sind im Internet unter www.mfm.at abrufbar. Die Organisation bittet um Spenden auf das Konto IBAN: AT28 3200 0000 0022 2000, BIC: RLNWATWW )