Anti-Terror-Einsatz

Deutschland sagt „Ja“ zum Kampf gegen den IS

Kanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.
© Reuters

Nur drei Wochen nach den Anschlägen von Paris entscheidet das deutsche Parlament, Soldaten in den Kampf gegen die Terrormiliz IS zu schicken. Die Opposition sieht die Mission mit allergrößtem Unbehagen.

Berlin – Der deutsche Bundestag hat dem Militäreinsatz gegen die Terrormiliz IS (Daesh) am Freitag mit großer Mehrheit zugestimmt. Damit sollen bis zu 1200 deutsche Soldaten mit Aufklärungsflügen und einer Fregatte die internationale Koalition im Kampf gegen den IS-Terror unterstützen – zunächst bis Ende 2016.

Bei 598 abgegebenen Stimmen votierten 445 Abgeordnete für den Einsatz, 146 stimmten dagegen, 7 enthielten sich. Die Ja-Stimmen kamen fast ausschließlich aus dem Lager der Regierungskoalition aus Christ- und Sozialdemokraten. Die Linksfraktion hatte im Voraus ein geschlossenes „Nein“ angekündigt, die Grünen-Fraktion eine mehrheitliche Ablehnung.

Die deutschen Streitkräfte (Bundeswehr) sollen die Kampfjets der Anti-IS-Koalition in Syrien und im Irak mit Aufklärungsflügen von sechs „Tornado“-Maschinen unterstützen, selbst aber keine Bomben abwerfen. Die deutsche Fregatte „Augsburg“ soll zum Schutz eines französischen Flugzeugträgers eingesetzt werden. Ein Tankflugzeug soll mit Treibstoffversorgung in der Luft längere Angriffsoperationen ermöglichen.

Schlagabtausch Regierung-OppositionVor der Abstimmung blieben in der Bundestags-Debatte die Fronten im Streit um den Anti-IS-Einsatz verhärtet. Christdemokraten und Sozialdemokraten erklärten, Europa müsse endlich mehr Verantwortung in den arabischen Krisenstaaten übernehmen - auch militärisch. Die Opposition aus Linkspartei und Grünen warf der Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dagegen planloses Handeln vor.

Die Linke-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht kritisierte: „Sie bekämpfen den IS dadurch nicht, sie werden ihn dadurch nur noch stärken.“ Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte an die Adresse der Regierung: „Ich habe den Eindruck, Ihr Mandat ist Aktionismus.“ Es sei gefährlich und vage formuliert. Er fragte: „Wer hat eigentlich den genauen Oberbefehl, die Franzosen oder die Amerikaner?“

Während die Linke ein geschlossenes „Nein“-Votum ankündigte, erklärten die Grünen-Politiker Cem Özdemir, Franziska Brantner und Marieluise Beck, sie wollten nicht gegen den Regierungsantrag stimmen, sondern sich enthalten.

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen rief dazu auf, die europäische Verantwortung für die Krisenregion im Mittleren Osten anzuerkennen. Dies müsse auch im Namen unserer eigenen Sicherheit geschehen, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses. Er betonte, ohne politisches Konzept gegen den Terror der IS-Milizen werden der geplante Militäreinsatz zum Scheitern verurteilt sein. Umgekehrt werde es aber ohne militärische Präsenz keine Chance für die Diplomatie geben.

Der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold nannte den geplanten Einsatz gegen die Terrormiliz IS rechtlich einwandfrei. „Dieser Einsatz ist eindeutig verfassungsrechtlich und völkerrechtlich abgesichert“, sagte er in der Debatte.

Mandat vorläufig für ein Jahr

Außenminister Frank-Walter Steinmeier vor der Abstimmung, dass das Mandat zunächst nur für ein Jahr gilt. „Keiner hat ein Interesse daran - weder die Amerikaner noch wir noch Russen -, dass das ein Einsatz wird, der sich über viele Jahre hinzieht“, sagte der SPD-Politiker am Freitag in Belgrad. Er bekräftigte, dass die Suche nach einer politischen Lösung des Syrien-Konflikts im Vordergrund stehe. „Wenn wir auf dem Wege der politischen Lösung voranschreiten, wenn wir wirklich vorwärtskommen, dann wird auch die militärische Auseinandersetzung von überschaubarer Länge sein.“

Die Mandatierung von Bundeswehreinsätzen nur für ein Jahr ist üblich. Der Afghanistan-Einsatz war bei der ersten Abstimmung Ende 2001 sogar zunächst nur für ein halbes Jahr beschlossen worden. Nach 14 Jahren ist die Bundeswehr aber immer noch dort.

Justizminister Heiko Maas (SPD) trat vor dem Votum Zweifeln an der rechtlichen Grundlage für den Einsatz entgegengetreten. „Die Deutschen können sicher sein: Der Syrien-Einsatz der Bundeswehr verstößt weder gegen das Völkerrecht noch gegen das Grundgesetz“, sagte er dem „Tagesspiegel“. Maas verwies auf eine vom deutsche Bundesverfassungsgericht 1994 getroffene Entscheidung, wonach Auslandseinsätze der Bundeswehr im Rahmen eines ‚Systems kollektiver Sicherheit‘ möglich seien. „Es gibt drei Resolutionen des UN-Sicherheitsrates gegen den IS, die das vorliegende Mandat abdecken. Nach dem EU-Grundlagenvertrag kann sich Frankreich zudem mit vollem Recht auf die Beistandsverpflichtung seiner EU-Partner berufen“, zitiert die Zeitung den Minister. Der Einsatz erfolgt nach den schweren IS-Anschlägen von Paris.

Auch völkerrechtlich sei das Mandat „zweifelsfrei gedeckt“, sagte Maas: „Frankreich kann sich auf das in Artikel 51 der UN-Charta verbriefte kollektive Selbstverteidigungsrecht berufen.“ Maas fügte hinzu, er halte den Einsatz nicht nur für rechtmäßig, sondern auch für notwendig: „Wir müssen diese terroristische Mörderbande stoppen. Das wird nicht allein mit militärischen Mitteln gelingen, aber eben auch nicht ohne.“

Die Bundeswehr verlegt kommende Woche die ersten Flugzeuge für den Syrien-Einsatz. Zwei Tornado-Aufklärungsjets und ein Tankflugzeug würden dann vom schleswig-holsteinischen Fliegerhorst Jagel auf den türkischen NATO-Stützpunkt Incirlik verlegt, kündigte der Kommodore des Geschwaders, Oberst Michael Krah, am Freitag an. Der Tank-Airbus solle daraufhin rasch den Einsatz aufnehmen. Die Tornados sollten im Jänner die ersten Aufklärungsflüge vornehmen. Bis dahin würden insgesamt sechs Maschinen dieses Typs nach Incirlik verlegt.

Hollande besucht Flugzeugträger vor Syrien

Frankreichs Präsident Francois Hollande wird unterdessen am Freitag den Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ vor der Küste Syriens besuchen. Der Staatschef werde am Nachmittag zwei Stunden auf dem Schiff bleiben und Soldaten treffen, die im Kampf gegen die radikalislamische IS-Miliz in Syrien und im Irak eingesetzt sind, teilte das Präsidialamt in Paris mit.

Das Schiff mit seinen 38 Kampfjets an Bord war ins östliche Mittelmeer entsandt worden, nachdem der IS die Verantwortung für die Anschläge von Paris übernommen hatte. Die deutsche Fregatte, die zum Einsatz kommt, dient zum Schutz des Flugzeugträgers. Auch die deutschen Aufklärungs-Tornados dienen zur Unterstützung französischer Kampfbomber.

Mehrere Attentäter hatten am 13. November 130 Menschen in der französischen Hauptstadt getötet. Frankreich ist an der von den USA geführten Militärallianz beteiligt, die Luftangriffe gegen IS-Stellungen in Syrien und im benachbarten Irak fliegt. (APA/dpa/AFP/Reuters)