Vorwürfe gegen Chef der Kardiologie erhärten sich
Oberärzte laufen gegen ihren Chef Sturm und dokumentieren für sich jeden Eingriff. Expertenkommission legt in Kürze Ergebnisse vor.
Von Anita Heubacher
Innsbruck –Das hatte gerade noch gefehlt. In einem TT-Interview Anfang November spielte die Rektorin der Medizin-Universität, Helga Fritsch, die Probleme an der Kardiologie herunter. Sie verglich die Ärzte mit quengelnden Kindern, die mit einem ihrer Elternteile Schwierigkeiten hätten.
Das Problem seien nicht sie, sondern die klinischen und mitmenschlichen Defizite des Kardiologie-Chefs Wolfgang-Michael Franz, konterten die Ärzte – schriftlich festgehalten in einem Brief an die Rektorin, an den Aufsichtsrat der Medizin-Uni und an den Aufsichtsrat der tirol kliniken. Unterzeichnet haben das Schreiben 14 Oberärzte der Kardiologie. Fritsch warfen sie „fehlendes Problembewusstsein“ vor.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich Oberärzte über ihren Vorgesetzten beschweren. Bei der Medizin-Universität, deren Angestellter Franz ist, und bei der Klinikführung hatten die Ärzte vorgesprochen. Bereits Mitte 2014 wurden sie vorstellig. Im Mittelpunkt der Beschwerden waren angebliche Komplikationen und Todesfälle, die die Ärzte Franz anlasteten. Die tirol kliniken holten Gutachten in drei Todesfällen ein und wurden nicht fündig. Anonyme Schreiben riefen die Staatsanwaltschaft Innsbruck auf den Plan. Sie ermittelt derzeit. Franz selbst hatte alle Vorwürfe von sich gewiesen. Er brachte seinerseits ebenfalls eine Anzeige wegen Rufschädigung bei der Staatsanwaltschaft ein.
Nach einem TT-Bericht im Juni, als die Probleme zum ersten Mal in der Zeitung standen, ging es schnell. Medizin-Universität, tirol kliniken und Franz selbst setzten innerhalb von wenigen Tagen eine Untersuchungskommission ein. Die vierköpfige Kommission sollte nicht Franz’ klinische Fähigkeiten, sondern seine Abrechnungen mit Patienten und seine Führungsqualitäten durchleuchten.
Die Kommission wird nach monatelangem Prüfen in Kürze ihre Ergebnisse vorlegen. Durchgesickert ist, dass es für Franz eng werden dürfte. Er soll mehreren normalversicherten Patienten die Gebühren für die ambulante Sonderklasse verrechnet haben. Diese Patienten hätte Franz alle persönlich behandeln und mit ihnen das Sonderhonorar vereinbaren müssen. Durchgefallen dürfte der Kardiologe auch in puncto Mitarbeiterführung sein. 50 Mitarbeiter von der Pflege über die Verwaltung bis hin zur Ärzteschaft gaben der Expertenkommission Auskunft. Die hohe Beteiligung lasse auch Rückschlüsse zu, hieß es gestern.
Der Zentralbetriebsrat der tirol kliniken, Gerhard Hödl, hatte ebenfalls eine Befragung der Mitarbeiter durchgeführt. Vor allem in der Ärzteschaft gebe es eine große Unzufriedenheit. Hödls Schlussfolgerung: Franz solle sofort suspendiert und von der Patientenversorgung und Mitarbeiterführung abgezogen werden. Das war Anfang Oktober.
Ganz anders sah das damals der Betriebsrat des wissenschaftlichen Personals, Martin Tiefenthaler. Am ehesten habe Franz Schwächen in der Führung. Von klinischen Fehlleistungen wollte Tiefenthaler nichts gehört haben. Bei Franz’ Bestellung seien auch seine klinischen Fähigkeiten überprüft worden. Bestellt hat Franz die Medizin-Universität. Fritsch war damals Vizerektorin, Rektor der inzwischen verstorbene Herbert Lochs. In der Bestellungskommission vertreten war der heutige Vizerektor der Medizin-Uni, Gustav Fraedrich. Er ist für klinische Angelegenheiten zuständig. Franz trat im Juni 2013 seinen Dienst an.
Bis die Kommission ihren Bericht offiziell vorstellt, wollen oder können weder die tirol kliniken noch die Medizin-Uni noch Franz etwas sagen. Die Zeit drängt. Denn das Klima an der Kardiologie sei eisig. Ärzte, die von Franz zu Operationen hinzugezogen werden, dokumentieren ihrerseits jeden Eingriff. Offizielle Stellungnahme gibt es keine.
Wenn die Ergebnisse der Untersuchungskommission vorliegen und entsprechend ausfallen, müsste die Medizin-Uni auf den Plan treten und handeln. Franz ist ihr Mitarbeiter. Etwaige dienstrechtliche Vergehen müsste Fritsch ahnden. Die tirol kliniken könnten Franz von der Patientenversorgung abziehen. Das hat die Klinikführung bereits in zwei anderen Fällen mit Ärzten gemacht. Franz bliebe sein Uni-Honorar für Forschung und Lehre.