Volkstheater: Mäßig geglückte Fassung von Lavants „Wechselbälgchen“
Wien (APA) - Mit der Dramatisierung von Christine Lavants posthum erschienener Erzählung „Das Wechselbälgchen“ reiht sich das Volkstheater s...
Wien (APA) - Mit der Dramatisierung von Christine Lavants posthum erschienener Erzählung „Das Wechselbälgchen“ reiht sich das Volkstheater seit Freitagabend in den Veranstaltungsreigen anlässlich des 100. Geburtstags der Kärntner Dichterin. Mit Maja Haderlap, die für die neue Fassung verantwortlich zeichnet, und Puppenspieler Nikolaus Habjan als Regisseur holte Direktorin Anna Badora große Namen ans Haus.
Allein das Ergebnis, das gestern in der Nebenspielstätte Volx/Margareten zur Uraufführung kam und in den kommenden Wochen durch die Wiener Bezirke tourt, wurde den hohen Erwartungen nur teilweise gerecht. Das liegt zunächst an der Theaterfassung selbst: Bachmannpreisträgerin Haderlap hat sich dazu entschieden, Teile des Textes ihrer Kärntner Kollegin Lavant (1915 - 1973) mithilfe einer Erzählstimme zu vermitteln. Immer wieder werden die Dialoge der Dorfbewohner, die die einäugige Magd Wrga und ihr uneheliches, augenscheinlich behindertes Kind Zitha argwöhnisch umkreisen, von erzählerischen Einschüben unterbrochen. Dies mag der Raffung des ohnehin kurzen, aber vielschichtigen Textes dienen, jedoch nicht der Dynamik auf der Bühne. Es wird allzu schnell künstlich, wenn man hier in der dritten Person von sich selbst und anderen spricht, während jegliche Bewegung auf der Bühne für Momente einfriert.
Und hier kommt Regisseur Nikolaus Habjan, der mit seinen Puppentheater-Produktionen am Wiener Schubert Theater für Furore sorgt und für seine Grazer Inszenierung von Camus‘ „Das Missverständnis“ für einen „Nestroy“ nominiert ist, ins Spiel: Er geht mit seinen Schauspielern ein wenig um wie mit seinen Puppen. Wenn sie nicht dran sind, hängen sie regungslos in einer Ecke. Dieser Stillstand ist in Habjans Inszenierung allerdings von Beginn an bewusst gewähltes Stilmittel. Jakob Brossmann hat ein klares, simples Bühnenbild geschaffen, was auch dem Tournee-Charakter der Produktion geschuldet sein dürfte. In drei mannshohen, holzumrahmten Schaukästen hat er eine Kärntner Miniaturlandschaft inklusive Bergen und Dorfkirche aufgebaut. Zu Beginn des Stücks verharren die vier Protagonisten in deren Inneren und kehren im Laufe des zweistündigen Abends immer wieder in ihre abgeschlossenen Welten zurück. Wie abgestellt wirken sie, entrückt und passiv. Wie aus einer anderen Welt, von der man doch weiß, dass sie auch heute noch (zumindest in den Köpfen mancher Menschen) existiert.
Das alles ergibt schöne Bilder, aber nicht mehr. Die düstere Geschichte rund um das Kind, das von den abergläubischen Dorfbewohnern als seiner Mutter von bösen Geistern untergeschobenes „Wechselbalg“ bezeichnet wird, kommt bis kurz vor Schluss nicht recht vom Fleck und entfaltet vor allem eines nicht - Beklemmung. Vielmehr plätschert die Handlung dahin, obwohl es das Ensemble versteht, die schrägen Charaktere durchaus recht scharf zu zeichnen: Claudia Sabitzer macht als hinterfotzige Weiddirn beim Spielen mit dem Kind gute Miene, Seyneb Saleh gibt die hilflose Magd Wrga mit ebenso großer Leidenschaft, wie sie die von Habjan gestaltete Puppe Zitha behutsam über die Bühne führt. Dieser Anblick ist über weite Strecken jedoch nur jenem Teil des Publikums vorbehalten, der im oberen Teil der Tribüne Platz gefunden hat. Weder die ebenerdig im Parkett platzierten Zuschauer noch jene nur leicht erhöht sitzenden Premierengäste konnten am Freitagabend sehen, was sich unterhalb der Hüften der Darsteller abspielte. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Manko in den künftigen Spielstätten in den Bezirken behoben wird. Eine Bühnenkonstruktion hätte hier im Volx/Margareten nicht geschadet.
Nicht ganz in die Rolle des habgierigen Knechts Lenz, der aufgrund einer Eingebung ins Dorf gepilgert ist, wo er glaubt, durch die Heirat mit der einäugigen Magd seinem Stand zu entwachsen, findet Florian Köhler. Er kämpft ebenso wie seine Kollegen mit der Sprache des Textes und kann sich nicht so recht entscheiden, ob er nun Theaterdeutsch oder doch jene syntaktisch gebrochene Dorfsprache wiedergeben soll, die dem Text immanent ist. Hier wären Haderlap und Habjan gefragt gewesen, eine klare Entscheidung zu treffen. Das ständige sprachliche Schlingern raubt dem Text jegliche Authentizität. Und so ist es - zum Glück, möchte man meinen - schwierig, sich dem traurigen Stoff rund um Aberglaube und Ablehnung des Anderen voll und ganz hinzugeben. Wirklich emotional wird es erst gegen Ende, als Zitha ein - gesundes - Geschwisterchen bekommt und Lenz Wrga zwingen will, sich des behinderten Kindes zu entledigen. Der Moment, als sich Zitha in die Fluten des Baches stürzt, um die kleine Schwester zu retten, ist die stärkste Szene des Abends. Derer hätte man sich mehr gewünscht.
(S E R V I C E - „Das Wechselbälgchen“ von Christine Lavant in einer Bühnenfassung von Maja Haderlap. Regie und Puppendesign: Nikolaus Habjan. Bühne: Jakob Brossmann, Kostüme: Denise Heschl. Mit Seyneb Saleh, Florian Köhler, Gabor Biedermann und Claudia Sabitzer. Weitere Termine: 9.12. im Theatersaal Längenfeldgasse, 10.12. in der VHS Urania, 13. und 14. 12. im VZ Donaustadt, 17.12. im VZ Erlaa, 18.12. im VZ Großjedlersdorf, jeweils um 19.30 Uhr. Weitere Termine sowie Karten unter www.volkstheater.at)