TT-Interview

Sexarbeit in Tirol: „Heuchelei bei Sex aufgeben“

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© APA/HELMUT FOHRINGER

Prostitution oder Sexarbeit ist immer wieder Anlass für politische Diskussionen. In Österreich ist die Ausübung des horizontalen Gewerbes in allen Bundesländern unterschiedlich geregelt. In Tirol etwa ist Sexarbeit nur in Freudenhäusern erlaubt, der Straßenstrich ist illegal.

Von Alexandra Plank

Innsbruck – Das Thema „Sexarbeit“ sorgt in Tirol für Diskussionsstoff. Mari­a do Mar Castro Varela ist Professorin für Soziale Arbeit in Berlin. Vor Kurzem referierte sie in Innsbruck. Im TT-Interview spricht sie über die dringend notwendige Entkriminalisierung von Sexarbeiterinnen.

Gibt es selbstbestimmte Prostituierte?

M. Castro Varela: Selbstverständlich gibt es selbstbestimmte Sexarbeiterinnen. Die Frage an sich verdeutlicht das Problem: Sexarbeit wird häufig als eine Arbeit betrachtet, die Autonomie ausschließt. Doch es gibt gar nicht wenige Menschen, die mit sexuellen Dienstleistungen ihren Lebensunterhalt verdienen, weil sie sich das ausgesucht haben. Einige haben ein Studium. Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass Sexarbeit nur unter Gewaltverhältnissen stattfindet. Dass Menschen das tun, heißt nicht, dass ich damit den Lebensunterhalt verdienen muss. Ich kann mir etwa auch nicht vorstellen, als Soldatin mein Leben zu verdienen.

Was brauchen Sexarbeiterinnen?

Varela: Vor allem muss der Arbeitsbereich entstigmatisiert werden. Zudem ist es wichtig, dass Schutz vor Gewalt gewährt wird. Gewalt gegen Sexarbeiterinnen wird paradoxerweise häufig ignoriert. Nach dem Motto: „Wer so was macht, ist selber schuld“. Und das in einer Zeit, wo ein Buch, dessen Protagonistin sich freiwillig in eine SM-Beziehung begibt, zum Hit wurde. Ich glaube, es ist wichtig, die Heuchelei in Bezug auf „Sex“ aufzugeben.

Sollen die Freier bestraft werden?

Varela: Die Bestrafung der Freier, wie sie in Schweden erfolgt, hat nicht dazu geführt, dass Sexarbeit in der öffentlichen Meinung entkriminalisiert wurde. Freier, die Gewalt anwenden, müssen bestraft werden, aber wenn eine einvernehmliche Dienstleistung abläuft, verstehe ich nicht, warum jemand kriminalisiert werden sollte. Das Sprechen über Sexarbeit sollte weniger moralisierend sein. Selbstorganisationen sollten unterstützt und bei Maßnahmen im Feld von Sexarbeit konsultiert werden.

Was bringen Sperrbezirke?

Varela: Sperrbezirke nutzen nur der moralisch empörten Mehrheit. Stellen Sie sich vor, es gebe ein Gesetz, dass es verbietet, generell Sex an Orten mit unter 30.000 Einwohnenden zu haben. Unsinn.

Wie kann der Kriminalisierung entgegengewirkt werden?

Varela: Da wären wir wieder am Anfang: Indem Sexarbeiterinnen als Arbeitende und nicht als Opfer gesehen werden, wenn auch Arbeitende im kapitalistischen System immer auch ausgebeutet werden.

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