Als der Bombenkrieg über Innsbruck hereinbrach
Morgen Dienstag jährt sich wieder der erste und zugleich verheerendste Luftangriff auf Innsbruck im Jahr 1943, der 269 Todesopfer forderte.
Von Michael Domanig
Innsbruck — „Man muss diesen schrecklichen Tag wieder stärker in Erinnerung rufen", sagt Friedhold Menk — und meint damit den 15. Dezember 1943, als Innsbruck Ziel des ersten und zugleich folgenschwersten alliierten Luftangriffs im Zweiten Weltkrieg war. 126 Tonnen an Sprengbomben warf die 15. US-Luftflotte binnen weniger Minuten auf die damalige Gauhauptstadt ab — mit verheerenden Folgen: 269 Tote, 500 Verwundete, Hunderte zum Teil völlig zerstörte Häuser lautete die entsetzliche Bilanz. Die Alliierten zielten mit den Luftangriffen im Krieg gegen Nazideutschland besonders auf die strategisch wichtigen Bahnverbindungen.
Friedhold Menk, Jahrgang 1939 und somit damals noch keine fünf Jahre alt, verlor bei diesem Angriff seinen Vater. „Er war an der Eismeerfront stationiert und befand sich gerade auf Fronturlaub in Tirol", erzählt Menk, „auch um seine 1941 geborene Tochter zu sehen." Am 15. Dezember 1943 habe der Vater die Innkaserne aufgesucht, wo er um eine Urlaubsverlängerung über Weihnachten ansuchen wollte. „Meine Mutter hat nie erfahren, ob er diese Verlängerung bekommen hätte", berichtet Menk. Denn gerade als sich der Vater auf dem Rückweg von der Kaserne zur Adamgasse befand — wo die Familie im Souterrain von Haus Nr. 14 lebte — schlugen rund um den Bahnhof die Bomben ein.
Menk erinnert sich noch, „wie ich an der Hand meiner Mutter durch die Laubengänge am Westfriedhof ging", wo der Vater identifiziert werden musste. Die überlebenden Familienmitglieder wurden in die Leutasch evakuiert.
Von den Städten im heutigen Österreich „war Innsbruck nach Wiener Neustadt proportional am stärksten betroffen", erklärt Lukas Morscher, Leiter des Innsbrucker Stadtarchivs. Da die Angriffe vor allem auf die strategisch wichtigen Bahnanlagen abzielten (die Versorgung der Wehrmacht in Italien sollte unterbrochen werden), waren die Schäden in den Stadtteilen Wilten und Pradl besonders groß.
Dass bei diesem ersten von insgesamt 22 Luftangriffen auf die Stadt mehr als die Hälfte aller Innsbrucker Bombentoten zu beklagen waren, „lag in erster Linie im Versagen des Warnsystems und im Mangel an bombensicheren Stollen" begründet, führt der Historiker Horst Schreiber in seinem Text „Innsbruck im Bombenkrieg" aus. Dabei hatte der Luftkrieg den Gau Tirol-Vorarlberg bereits am 1. Oktober 1943 mit voller Härte erreicht, als ein Angriff auf Feldkirch 210 Tote forderte. Hinzu kam, dass die Luftverteidigung in Innsbruck großteils auf den Schultern von 15- bis 17-jährigen Flakhelfern lastete, die über keinerlei Erfahrung verfügten.
Besonders gefährlich waren die Aufräumarbeiten nach den Angriffen: Zur Blindgängerbeseitigung wurden in Innsbruck auch Häftlinge des Lagers Reichenau gezwungen. Die Spuren des Bombenkrieges waren im Stadtbild noch jahrzehntelang zu sehen, auch weil viele Häuser zunächst nur notdürftig aufgemauert wurden. Noch heute sind an einzelnen Hauswänden jene Pfeile zu erkennen, die den Zugang zu Luftschutzkellern markierten.
Der Historiker Thomas Albrich hat die Ereignisse in seinem 2014 erschienenen Buch „Luftkrieg über der Alpenfestung 1943—1945" (Universitätsverlag Wagner) detailliert aufgearbeitet. Und am Samstag hat auch die Stadt Innsbruck mit einer Gedenkmesse wieder an die Opfer von damals erinnert.