Billiggeld treibt Börsenkurse - 2016 dürften Kurse weiter steigen
Frankfurt (APA/dpa) - Griechenland-Krise, Sorgen um Chinas Konjunktur, VW-Abgasskandal und US-Zinserhöhung - das Börsenjahr war alles andere...
Frankfurt (APA/dpa) - Griechenland-Krise, Sorgen um Chinas Konjunktur, VW-Abgasskandal und US-Zinserhöhung - das Börsenjahr war alles andere als ruhig. Der deutsche Leitindex DAX legte auf Jahressicht fast zehn Prozent auf 10.743 Punkte zu - nach gerade einmal 2,65 Prozent Plus im Vorjahr. Der österreichische ATX-Index stieg um rund 11 Prozent auf rund 2.390 Punkte, nach einem Minus von 15 Prozent im Jahr davor.
Und Börsenprofis sind zuversichtlich: 2016 dürften die Kurse weiter steigen. Zwar erhöhte die US-Notenbank Fed im Dezember erstmals seit der Finanzkrise die Zinsen, dennoch bleibt die Billiggeldschwemme diesseits wie jenseits des Atlantiks gewaltig. Das billige Geld gilt als entscheidender Treibstoff für die Börsen. Die Niedrigzinsen nagen nicht nur an den Ersparnissen der Kleinanleger, sie bereiten auch Großinvestoren Kopfzerbrechen. Denn viele Unternehmens- oder Staatsanleihen werfen ebenfalls kaum noch etwas ab. Das treibt viele in die als riskanter geltende Investition in Aktien.
Nach Einschätzung der deutschen Dekabank wird die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) 2016 „der entscheidende positive Treiber für den deutschen Aktienmarkt“ bleiben. Die EZB flutet die Märkte bis mindestens März 2017 mit Geld. Die Währungshüter verlängerten Anfang Dezember ihr milliardenschweres Anleihenkaufprogramm um ein halbes Jahr. Zudem erhöhten sie den Strafzins für geparkte Bankgelder auf 0,3 Prozent.
Unter anderem deshalb geht auch die Commerzbank davon aus, dass der deutsche Leitindex DAX im Jahr 2016 tendenziell steigen wird: „Im Jahresverlauf dürfte der DAX natürlich immer wieder absacken - etwa wegen Sorgen um China. Aber wir setzen darauf, dass Anleger Rückschläge wie 2015 immer wieder dazu nutzen, günstig in Aktien einzusteigen und damit den sehr niedrigen Anleiherenditen zu entkommen.“
Somit dürfte sich an den Aktienmärkten die Erfolgsgeschichte des Jahres 2015 fortsetzen: Im Frühjahr war der DAX auf den Rekordstand von fast 12.400 Punkten geklettert, sackte dann zeitweise auf 9.325 Punkte und erholte sich zum Jahresende wieder. Börsenprofis von 35 befragten in- und ausländischen Banken sehen laut einer Umfrage des „Handelsblatts“ den deutschen Leitindex zum Ende des Jahres 2016 im Schnitt bei 11.793 Punkten. Der ATX-Leitindex der Wiener Börse soll 2016 sowohl zum Ende des ersten Quartals als auch zu Jahresende bei 2.550 Zählern liegen, so die Einschätzung von RBI und Erste Bank.
Die 616 börsennotierten Unternehmen in Deutschland schütteten nach Berechnungen der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) die Rekord-Dividende von 41,7 Milliarden Euro aus. Die meisten Deutschen jedoch lockt das bisher nicht: Sie gehen bei der Geldanlage auf Nummer sicher und machen um Aktien und Fonds einen großen Bogen. Auch Minizinsen für Sparbuch und Tagesgeld führten nach Feststellung der Bundesbank nicht dazu, dass Verbraucher in riskantere Anlagen investieren.
Im Gegenteil: Der Anteil der als sicher geltenden Sichteinlagen stieg in den vergangenen Jahren sogar noch. Gut zwei Billionen Euro werden nach jüngsten Zahlen in schnell verfügbarer Form - etwa als Tagesgeld - gehortet, obwohl das aktuell kaum Zinsen bringt. Die Bundesbank erklärt das mit einer „ausgeprägten Risikoaversion“ der Bundesbürger: Sie nehmen eher reale Verluste in Kauf, als für die Aussicht auf höhere Rendite Risiken einzugehen.
Nach jüngsten Zahlen des Deutschen Aktieninstituts (DAI) kehrten im Jahr 2014 rund eine halbe Million Deutsche dem Aktienmarkt den Rücken. Nur noch 8,4 Millionen Menschen - rund 13 Prozent (Vorjahr: 13,8 Prozent) der Bevölkerung - hatten nach DAI-Angaben Geld in Aktien und/oder Aktienfonds angelegt. Damit ist die Aktienkultur in Europas größter Volkswirtschaft nicht nur im internationalen Vergleich unterentwickelt, das Interesse der Bundesbürger sank dem DAI zufolge auch in etwa wieder auf das niedrige Niveau während der Finanzkrise 2007/2008.
Die Volkswirte des Versicherers Allianz weisen darauf hin, dass die Entwicklung außer von den ultra-niedrigen Zinsen auch von einer zunehmend robuster werdenden Konjunktur getragen sei. In diesem Umfeld dürften „die meisten europäischen Aktienmärkte noch beträchtliches Potenzial besitzen“, prognostizieren sie. „Europäische Aktienindizes werden im internationalen Vergleich im kommenden Jahr voraussichtlich überdurchschnittlich abschneiden.“