„Mediterranea“: Wenn Flüchtlingsträume zerplatzen

Wien (APA/dpa) - Schickes Gewand, teure Autos, schöne Wohnungen. Und vor allem: kein Krieg. Für Menschen aus krisengeschüttelten Teilen der ...

Wien (APA/dpa) - Schickes Gewand, teure Autos, schöne Wohnungen. Und vor allem: kein Krieg. Für Menschen aus krisengeschüttelten Teilen der Welt wirkt Europa wie ein Wunderland. Jonas Carpignano gibt der Masse an Flüchtlingen nun Gesichter. In seinem beeindruckenden Kinodebüt „Mediterranea“ erzählt er von zwei Freunden aus Burkina Faso, die der Armut ihrer afrikanischen Heimat entkommen wollen. Ab Freitag im Kino.

Bald müssen die beiden feststellen, dass die Wirklichkeit ganz anders ist und ihre Träume von einem guten Leben zu zerplatzen drohen. „Alles wird gut!“, mit diesem Satz halten sich Ayiva (Koudous Seihon) und Abas (Alassane Sy) auf ihrem langen Weg aufrecht. Sie schuften in Algerien, um Geld für die Überfahrt zu verdienen. Sie stolpern entkräftet über Felsgebirge und durch Wüsten und werden von Banden ausgeraubt. Dazwischen Telefonate mit den Familien, die alle Hoffnung in sie gesetzt haben. Nach einer lebensgefährlichen Fahrt übers Mittelmeer im völlig überladenen Boot endlich Italien. Das gelobte Land? Weit gefehlt. Die Schwierigkeiten fangen erst richtig an. Denn: Flüchtlinge sind hier nicht erwünscht, allenfalls geduldet, macht „Mediterranea“ deutlich.

„Die Leute reden über die Bootstragödien oder über die Aufnahmelager, aber sehr wenig dreht sich darum, was passiert, wenn die Leute in Italien bleiben“, sagt Regisseur Carpignano. Dokumentarisch genau zeigt er die desolaten Unterkünfte, in denen Ayiva und die anderen hausen. Er erzählt von ihrem Knochenjob als Erntehelfer und von der Ausgrenzung durch die Italiener, ebenso wie von den Telefonaten mit der Familie in Afrika, die auf Geld wartet und die sie immer wieder vertrösten, weil das mit dem Geldverdienen doch nicht so leicht ist.

Nach und nach zerplatzen die Träume vom wunderschönen Leben in Europa. „Die Menschen haben das Glück, dass sie überlebt haben. Die Reise ist eine Herausforderung. Sie ist gefährlich und qualvoll. Aber der Kampf geht danach erst richtig los“, erklärt Carpignano. Kampf ist durchaus wörtlich zu verstehen. Denn Anlass für den Film war der Aufstand von rund 2000 überwiegend afrikanischen Saisonarbeitern 2010 in Rosarno. Sie hatten protestiert, nachdem Unbekannte auf sie geschossen hatten. Die Bevölkerung reagierte auf die Revolte mit Angst und Gewalt. Carpignano greift diese Bilder auf, hektisch gedreht, düster und verstörend.

Trotz aller bitteren Erfahrungen ist „Mediterranea“ aber nicht nur deprimierend. Der Film ist auch fröhlich, etwa wenn „Mama Africa“ die Erntehelfer zum Abendessen lädt. Eine fröhliche und tiefgläubige Italienerin, die es wirklich gibt. Oder ein Abend unter Freunden, bei dem gelacht und geflirtet wird.

Hauptdarsteller Koudous Seihon brachte der Film ohnehin eine gute Wendung in seinem Leben. Er war selbst Flüchtling, so wie seine Figur im Film. Mittlerweile ist er mit Carpignano befreundet und lebt mit ihm in einer Wohngemeinschaft. Trotzdem hegt er keine Illusionen. „Wenn mich einer aus meiner Familie fragen würde, ob er nach Europa kommen sollte, würde ich sagen: Komm besser nicht“, findet der 29-Jährige. Und auch wenn es ihm gerade sehr gut geht, hat er nur einen Wunsch: In Burkina Faso eine Arbeit finden und endlich zu seiner Tochter zurückkehren. „Ob es viel Geld oder wenig gibt, ich gehe dann sofort, weil es besser ist, mit der Familie zu sein.“