Damals irgendwo in Afrika: Heinz Kinigadner blickt zurück
Wenn die Rallye Dakar heute in Südamerika in die 38. Auflage geht, dann finden sich kaum Parallelen zu jenen Rennen, wie sie Tirols Motocross-Legende Heinz Kinigadner in den 90er-Jahren in Afrika erlebte.
Von Daniel Suckert
Uderns –Wenn Oma und Opa ihren Enkerln von der guten alten Zeit berichten, dann darf in den Erzählungen ein Satz niemals fehlen: „Wir haben ja nichts gehabt!“ Selbes hört man auch, wenn Tirols Motorsport-Legende Heinz Kinigadner von der Rallye Dakar der 90er-Jahre erzählt. Die Anekdoten des 55-Jährigen über die härteste Rallye der Welt nehmen den Zuhörer mit nach Afrika. Ein PS-Abenteuer, dem sich die Teilnehmer – damals wie heute – nicht entziehen konnten und können.
„Als Außenstehender ist es nicht einfach zu verstehen, warum sich das jemand freiwillig antut“, beginnt der KTM-Sportmanager mit einem Grinser zu erzählen. Wie oft sich der gelernte Bäcker und Konditor als „Verrückter“ abstempeln lassen musste, lässt sich nur erahnen.
Allen Unkenrufen zum Trotz sah der Zillertaler von Beginn an das Potenzial des Rennens. In einer Jahreszeit, in der der Motorsport eigentlich Pause macht, wurde Kinigadner nicht müde, die Möglichkeiten des Events herauszustreichen. Kinigadner: „Sogar die Jungs bei KTM haben mich für verrückt erklärt. Die Motorräder waren für solche Strecken und Belastungen gar nicht gebaut.“
Darum endeten die ersten Rallye-Auftritte (ab 1992) des Motocross-Weltmeisters der Jahre 1984 und 1985 mit Defekten und Ausfällen. Die Faszination des Abenteuers auf zwei Rädern ließ ihn nicht mehr los. „Es ist mit den heutigen Auftritten in Südamerika nicht zu vergleichen. Afrika war Abenteuer pur“, sprudelt es aus dem Gründer der Stiftung „Wings for Life“ heraus. „Alles, was du damals nicht eingepackt hast, war auch nicht da. Wenn ein Pilot heute beispielsweise seinen Helm vergisst, geht er in den nächsten Laden und kauft sich einen.“
Nicht nur deshalb war für „Kini“ die Vorbereitungszeit die stressigste. Vor allem, weil der in Uderns geborene Ex-Pilot die Organisation für zehn andere Mitstreiter übernommen hatte. „Und da war ja das grundlegende Hauptproblem: Was nehmen wir überhaupt mit? Ersatzteile hätten wir ja jede Menge gebraucht, aber es gab ja keine Lkws“, erinnert sich die PS-Legende noch genau: „Die Wohnmobile stopften wir voll und meistens mieteten wir uns vor Ort Boxen, um das Nötigste unterzubringen.“
Entspannung machte sich bei Kinigadner erst ab dem Zeitpunkt des Startschusses breit. Da ging es „nur“ noch um das Durchkommen, die schnellste Zeit und die Weiten der afrikanischen Landschaft. Das Schrauben am Motorrad oder das Nähen von Reifenplatzern gehörten ebenso dazu wie das Aufpassen auf die eigenen Stiefel. Kinigadner: „Da waren nachts einige unterwegs, die dich gerne um deine Lederstiefel erleichtert hätten. So hast du die stinkenden Dinger lieber mit ins eigene Zelt genommen, als am Tag darauf ohne am Start zu stehen.“
Gewinnen konnte er die berüchtigte Rallye zwar nie, der Aufmerksamkeit tat dies aber keinen Abbruch. „Auf einmal kannte mich jeder. Überall wurde ich angesprochen. ,Sie sind der, der die Dakar mitgefahren ist, oder?‘ Für meine beiden Motocross-Titel habe ich viel härter gearbeitet, aber die Aufmerksamkeit durch die Dakar war um ein Vielfaches größer“, zeigt sich Kinigadner heute noch überrascht.
Dem Salzburger Matthias Walkner traut er in jedem Fall den Sieg zu. Weil der fehlerlos unterwegs sei und die nötige Geschwindigkeit aufbringen würde, begründet Kinigadner. Dass das KTM-Zugpferd Marc Coma nun nicht mehr aktiv, sondern als Renndirektor vor Ort sei, sieht er mit gemischten Gefühlen. „Die Chance musste er nützen und mit ihm haben wir einen, der weiß, um was es bei dieser Rallye geht.“
Kinigadner selbst wird am Ruhetag (8. Jänner) in Südamerika sein. Und es wird nicht wenige geben, die „Kini“ am Lagerfeuer nach der einen oder anderen Afrika-Geschichte bitten werden.