Prozess

Gefangene Schwedin im Bunker: „Sie war seine Traumfrau“

Symbolfoto.
© APA/HERBERT PFARRHOFER

Sechs Tage lang erlebte eine junge Schwedin einen kaum vorstellbaren Horror: Ein Arzt hielt sie als seine „Freundin“ in einem Bunker gefangen. Jetzt steht er für das perfide Verbrechen vor Gericht.

Von Julia Wäschenbach, dpa

Stockholm – Jahrelang baut einArzt an einem Bunker neben seinem Haus in der südschwedischen Provinz Schonen. Schalldicht soll er sein, damit keine Schreie nach außen dringen können. Drinnen stehen ein karges Bett, ein Tisch, zwei Stühle, ein Kühlschrank. Hier ist eine junge Schwedin im September fast eine Woche lang eingesperrt. Der 38-Jährige will sie zu seiner Lebensgefährtin machen, Sex mit ihr haben. Es sollten Jahre werden, so der Plan. Ein unheimliches Verbrechen, wie es sich laut Anklage inSchweden abgespielt haben soll.Seit Montag steht der Mediziner in Stockholm vor Gericht.

Ganz entspannt wirkt der Mann, der in einem kornblumenblauen Pullover zum Auftakt des Prozesses erscheint, lautschwedischen Medien. Neugierig sehe er sich im Gerichtssaal um. Die junge Frau dagegen habe einenSchal um ihren Kopf geschlungen, um ihr Gesicht zu verhüllen. Seiner Mandantin gehe es schlecht, es mache ihr Angst, ihren Peiniger wiedersehen zu müssen, hatte der Anwalt der Schwedin vor der Verhandlung erklärt. Als der Staatsanwalt vorliest, wie sich die Tat abgespielt haben soll, muss man ihr Taschentücher reichen.

Erdbeeren mit Schlafmittel versetzt

Erdbeeren und eine Autofahrt.Daran kann sich die Schwedin laut der Zeitung „Dagens Nyheter“ schwach erinnern, als sie in dem Bunker in Südschweden aufwacht. Zuvor hatte sie sich in ihrer Wohnung in Stockholm zum Date mit dem Mediziner getroffen, den seinChef „DN“ zufolge als „guten und beliebten“ Arzt beschreibt. Die Erdbeeren soll er - neben Champagner - dabei gehabt haben, einige der Früchte mit einem Schlafmittel versehen, das die Schwedin außer Gefecht gesetzt haben soll. In seinem Auto fährt er mit ihr nachSchonen.

„Er hat sich bemüht, der Frau nicht mehr wehzutun als notwendig“, sagt Verteidigerin Mari Schaub „Dagens Nyheter“.„Andere hätten das Opfer vielleicht niedergeschlagen, es gefesselt und in den Kofferraum gelegt. Aber mein Klient hat Empathie, er ist kein Psychopath.“ Dass er weitereFrauen entführen wollte, bestreitet der Arzt vor Gericht - genau wie seinOpfer missbraucht zu haben. „Er hat gesagt, dass er sich manchmal gewünscht hat, Geschlechtsverkehr mit ihr zu haben“, sagt Schaub. Getan habe er ihr nach eigener Aussage aber nichts.

Täter wollte zwei bis drei Mal täglich Sex mit Opfer haben

Die Anklage sieht das anders. Als die junge Frau bewusstlos war, soll derArzt sie vergewaltigt haben. Um auszuschließen, dass sie ansteckende Krankheiten habe, soll er Urinproben in demKrankenhaus eingereicht haben, in dem er arbeitete. „Er war die ganze Zeit unheimlich ruhig“, sagte das Opfer laut „DN“ in einem Polizeiverhör. „Ich wusste nicht, was passieren würde - ob er mich töten, foltern oder vergewaltigen würde.“ Zwei bis drei Mal am Tag sollten sie künftig ungeschützten Sex haben, habe ihr Entführer ihr erzählt.

Laut seiner Verteidigerin wollte der Arzt „jemanden finden, mit dem er zusammenleben konnte“. Doch er geht mit der Frau zur Polizei. „Als ihm klar wurde, dass sie von ihren Angehörigen vermisst wird, hat er sie freigelassen, aber er hoffte, dass sie bei ihm bleiben wollen würde“, sagt Mari Schaub „DN“. „Sie war seine Traumfrau.“

Für sein Opfer ist es kaum zu ertragen, sich denHorror der Gefangenschaft noch einmal ins Bewusstsein zu rufen. Sie sei im Gerichtssaal zusammengebrochen, sagt ihr Rechtsbeistand Journalisten in einer Pause der Verhandlung, die sich nach der Einführung hinter verschlossenen Türen abspielt. (dpa)

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